Die Zukunft des serbischen Rundfunks

19. März 2013 • Digitales • von

Die digitale Revolution hat auch Serbien erfasst. Die traditionellen serbischen Rundfunksender bekommen zu spüren, dass ihre Zuschauer mehr und mehr online unterwegs sind. Die Werbeplätze der Privatsender verlieren gegenüber dem Netz an Reiz.

Laut der Umfrage „New Media Usage among Youth“ des Marktforschungsinstituts Ipsos ist das Web mittlerweile Hauptinformationsquelle für 18 Prozent der serbischen Bevölkerung. Unter den Zwölf- bis 29-Jährigen beträgt dieser Anteil demnach sogar 43 Prozent. Zahlen der serbischen Statistikbehörde von 2012 bestätigen den Trend zu mehr Internetnutzung: 55,2 Prozent der Haushalte besitzen mittlerweile einen Computer – 2006 waren es erst 26,5 Prozent. Der Anteil der Haushalte, die Internetzugang haben, ist fast genauso stark gestiegen – von 18,5 auf 47,5 Prozent. Laut der jährlichen Umfrage „Mediascope Europe“ des Verbandes für digitale Ökonomie IAB nutzen 3.2 Millionen Serben über 16 Jahren aktiv das Internet, das sind 52 Prozent der Gesamtbevölkerung.

Gleichzeitig verliert das Fernsehen an Bedeutung. Zwar sahen der Ipsos-Befragung zufolge 2011 immer noch 82 Prozent der Serben täglich fern, doch das sind schon fünf Prozent weniger im Vergleich zu 2010 – Tendenz fallend. Die Mediascope-Untersuchungen zeigen, dass stattdessen ein Trend besteht, traditionelle Medien im Internet zu konsumieren. 95 Prozent der Befragten lesen Nachrichten online, 80 Prozent hören Radio und 77 Prozent nutzen digitale TV-Programme. Gern machen die Serben alles gleichzeitig: Sie surfen, lesen gezielt Nachrichten und lassen dabei online ein TV-Programm laufen.

Werbekunden wandern von den privaten Rundfunksendern, die sich neben den staatlichen Rundfunkanstalten Radio-Televizija Srbije und Radio-Televizija Woiwodina etabliert haben, ins Netz ab. Private Rundfunkanstalten wie TV Pink oder Avala verzeichnen Einbußen.

Hier greift die Erklärung des Chaos-Szenarios des populären Werbe- und Marketing-Analysten Bob Garfield. Wenn das Publikum beginnt, seine Informationsbedürfnisse nur noch im Internet, speziell im Web 2.0, zu befriedigen, werden die Werbeunternehmen kein Interesse mehr darin haben, Werbung in den traditionellen Medien zu schalten. Als Konsequenz wird das komplette Wirtschaftsmodell des bisherigen Rundfunks zusammenbrechen und verschwinden.

Aber das Verhalten der Internetnutzer könnte die Sender und Werbekunden auch dann vor Probleme stellen, wenn sie sich auf Online-Plattformen umorientierten. Die sogenannten Digital Natives –  die Generation, die mit dem Internet aufgewachsen ist –  stellen laut Garfield drei Bedingungen an das Medium: Erstens, dass es ein gegebenes Recht ist, Informationen frei zu versenden und zu empfangen. Dieses Recht kann und darf nicht beschränkt werden. Zweitens sollen alle Inhalte in sozialen Netzwerken frei sein. Und drittens, was das wichtigste in diesem Zusammenhang ist, glauben die Digital Natives, dass Angebote im Internet nicht durch zusätzliche Inhalte belastet oder unterbrochen werden sollten – also auch nicht durch Werbung. „Wir sollten im Hinterkopf behalten, dass Mediennutzer nie viel auf Werbung gegeben haben”, sagt Bob Garfield. „Und jetzt taucht eine ganze Generation auf, die es für ein Geburtsrecht hält, freie Online-Inhalte zu bekommen, ohne durch Werbung belästigt zu werden.“ Dies bestätigen auch die Ergebnisse der Erhebung „New Media Usage among Youth“: Der Befragung zufolge klickten 2011 nur drei Prozent der Nutzer „sehr oft“ und vier Prozent der Nutzer „oft“ Online-Werbebanner an, 36 Prozent gaben hingegen an, „nie“ solche Banner anzusehen. Add-On-Blocker und andere Anwendungen, die Werbung umgehen, tun ihr Übriges.

Deshalb müssen sich Marketingkonzepte und Wege, Werbebotschaften an das Publikum zu vermitteln, verändern. Werbung muss mehr nach Information als nach Überzeugungsarbeit aussehen. Die Verluste, die durch schwindende Werbeeinnahmen im Rundfunk entstehen, werden die Unternehmen wahrscheinlich nicht – zumindest nicht sofort – durch zusätzliche Online-Aktivitäten wieder herein holen. Experten schätzen, dass Unternehmen auf neuen, digitalen Plattformen  zwischen einem Fünftel und einem Drittel der Werbeerlöse des traditionellen Rundfunks erzielen können.

Auch wenn diese Aussichten wenig berauschend sind – das Fernsehen entwickelt sich bereits jetzt weiter, mit digitalen Streams und indem es Inhalte einbindet, die Nutzer etwa auf der Plattform Youtube generiert haben. Die traditionellen Rundfunkbetreiber werden also mehr und mehr digital und interaktiv.

Auch in Serbien ist die Zukunft der Kommunikation angekommen. Aufgrund neuer Technologien wird die Gesellschaft nicht länger auf Rundfunk in Form von elektronischen Massenmedien angewiesen sein. Das sollte in der künftigen Medienpolitik berücksichtigt werden, damit künftige Veränderungen nicht chaotisch ablaufen, sondern direkt die Medienentwicklung fördern, die zu den Bedürfnissen der Nutzer passt.

Originalversion auf Serbisch: Primena „haos scenarija“ na radiodifuziju u Srbiji

Version auf Englisch: The Future of Broadcasting in Serbia

 

 

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