Lebenshilfe für die Presse

2. August 2013 • Medienpolitik • von

Die digitale Revolution hat den Diskussionen um die staatliche Medienförderung neuen Auftrieb gegeben. Kritiker bezweifeln, dass die jetzigen Fördermodelle zukunftstauglich sind. Der folgende Artikel vergleicht die Maßnahmen in Europa.

Mediensysteme westlicher Demokratien sind im Umbruch. Diese Veränderungen sind nicht einfach konjunktureller Art. Vielmehr ist von einer strukturellen Medienkrise zu sprechen. Nutzer und Werbung sind ins Internet abgewandert, und zwar nicht zu den Online-Ablegern der klassischen Medien, sondern zu Suchmaschinen und sozialen Netzwerken, die mit Journalismus wenig zu tun haben. Die für Journalismus zur Verfügung stehenden Ressourcen sind folglich stark im Abnehmen begriffen. Besonders Tageszeitungen sind davon betroffen: In den letzten Jahren kam es auch in der Schweiz zu zahlreichen Sparrunden, in deren Verlauf Korrespondentenbüros geschlossen und Redaktionen zum Teil massiv verkleinert wurden.

Schwindende Ressourcen

Trotz den Beteuerungen vieler Verlage, mit weniger Ressourcen mehr leisten zu können, werden Befürchtungen über negative Auswirkungen dieser Medienkrise für die Demokratie geäußert. Die Möglichkeiten, kritisch und umfassend über das politische, wirtschaftliche und kulturelle Geschehen auf allen föderalen Ebenen zu berichten, nehmen ab. Die anfängliche Euphorie, das Internet könne die traditionellen Medien ersetzen, ist unterdessen einer Ernüchterung gewichen.

Zwar bieten Bürgerjournalismus und Blogosphäre neue Informations- und Diskussionsmöglichkeiten für die Bürgerinnen und Bürger sowie einen einfachen Zugang zur Öffentlichkeit für von den Massenmedien zu wenig berücksichtigte gesellschaftliche Gruppierungen. Damit wird der demokratische Diskurs bereichert. Doch viele neue Angebote richten sich an Nischenpublika und beziehen sich häufig auf klassische Medieninhalte. Zudem spielen die bekannten Massenmedien auch im Internet eine zentrale Rolle und betreiben die meistbesuchten Nachrichten-Websites im Netz.

Das soll nun nicht heißen, das Internet sei für professionellen Journalismus unwichtig. Traditionelle Medien werden künftig noch stärker auf die Online-Verbreitung setzen, und auch im Internet können neue professionelle Medienorganisationen entstehen. Der Vertriebskanal – online oder nicht – ist aber gar nicht die entscheidende Frage. Völlig unabhängig davon, ob es sich um Printmedien, Radio, Fernsehen oder Online-Angebote handelt: Eine professionelle und kontinuierliche journalistische Berichterstattung ist auf eine mit ausreichenden Ressourcen ausgestattete Redaktion angewiesen. Und das ist teuer.

Neue Finanzierungsmodelle

Allerdings ist fraglich, ob die bisherige marktliche Finanzierung von Medienorganisationen über Anzeigen und Verkaufserlöse weiterhin ausreichen wird. Auf dem Werbemarkt konkurrieren Google, Facebook und andere, technologisch getriebene Konzerne, wie erwähnt, mit den Verlagshäusern. Die wegfallenden Anzeigenerlöse mit höheren Einnahmen auf dem Lesermarkt zu kompensieren, gestaltet sich aber alles andere als einfach. Noch ist ungewiss, wie erfolgreich neue Bezahlmodelle wie Online-Abonnements, Flat Rates und Micropayments sein werden. Von wissenschaftlicher Seite werden die Chancen, Bezahlschranken (Pay-Walls) zu implementieren, oftmals skeptisch beurteilt.

Somit stellt sich die Frage nach dem medienpolitischen Handlungsbedarf und einer Förderung aus öffentlichen Mitteln. Grundsätzlich lässt sich zwischen direkter und indirekter Förderung unterscheiden. Direkte Presseförderung bezeichnet eine direkte finanzielle Zuwendung des Staates an Medienunternehmen, während indirekte Presseförderung diese nur mittelbar begünstigt, ihnen aber einen wirtschaftlichen Vorteil verschafft (beispielsweise Steuererleichterungen oder reduzierte Posttarife).

Vorstöße in der Schweiz

Die Medienkrise hat nun auch in der Schweiz die Politik auf den Plan gerufen. Bis jetzt existiert nur eine indirekte Presseförderung. Zum einen profitieren die Regional- und Lokalpresse sowie die Mitgliedschafts- und Stiftungspresse von verbilligten Posttarifen in der Höhe von 30 bzw. 20 Millionen Franken. Zum andern kommt der reduzierte Mehrwertsteuersatz von 2,5 Prozent statt 8 Prozent zur Anwendung, was sich 2008 auf eine indirekte Subvention von etwa 59 Millionen Franken belief. Die Wirksamkeit dieser indirekten Maßnahmen wird aber als gering eingeschätzt.

Im Sommer 2009 haben Nationalrat Hans-Jürg Fehr und Mitunterzeichnende in einem Postulat vom Bundesrat einen Bericht zur Zukunft der Presse gefordert. Das Bundesamt für Kommunikation hat zu diesem Zweck mehrere wissenschaftliche Studien in Auftrag gegeben, und im Sommer 2011 schließlich nahm die Landesregierung im Bericht „Pressevielfalt sichern“ Stellung. Darin teilt der Bundesrat die von der Wissenschaft erarbeiteten Befunde. Insbesondere die schwindenden journalistischen Ressourcen werden als „Grund zur Sorge“ bezeichnet. Es bestehe „Anlass zur Befürchtung, dass das freie Spiel der Marktkräfte allein das erwünschte Resultat einer vielfältigen, qualitativ ausreichenden Medienlandschaft nicht zu gewährleisten vermag“. Dennoch sieht der Bundesrat vorderhand „keinen staatlichen Handlungsbedarf und setzt auf die Eigenverantwortung“ der Medien. Problemanalyse und Präferenz für den medienpolitischen Status quo stehen offensichtlich in einem Widerspruch zueinander.

Der Bundesrat ist nicht alleine. Eine direkte Presseförderung wird von vielen Politikern, Journalisten und Medieneigentümern teilweise vehement abgelehnt. Direkte Subventionen, so wird argumentiert, würden einer staatlichen Einflussnahme auf die Inhalte Tür und Tor öffnen. Folglich seien Pressefreiheit und Presseförderung nicht miteinander vereinbar. Unbestritten: Die Freiheit der Medien vom Staat ist ein hohes Gut, das es zu erhalten gilt. Staatliche Eingriffe in redaktionelle Entscheidungen und Medieninhalte wären einer Demokratie unwürdig. Doch das ist auch nicht das Ziel von Presseförderung. Vielmehr sollen durch Subventionen die Bedingungen für die Entstehung vielfältiger und qualitativ hochwertiger Medienleistungen verbessert werden.

Wahrung der Unabhängigkeit

Ein Blick ins europäische Ausland zeigt, dass zahlreiche Länder direkte Fördermaßnahmen implementiert haben, die die Unabhängigkeit der Medien vom Staat wahren und mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft aufrechtzuerhalten. Gerade die skandinavischen Länder mit ihrer langen Tradition der direkten Presseförderung rangieren in allen Erhebungen zur Pressefreiheit immer auf den vordersten Plätzen. Auch wenn existierende Modelle nicht eins zu eins auf die Schweiz übertragbar sind, so liefern sie dennoch Ideen für die medienpolitische Diskussion hierzulande.

Schweden: Zeitungen, deren redaktionelle Inhalte zu mindestens 55 Prozent selbst erstellt werden und die maximal 30 Prozent Haushaltsabdeckung in ihrem Verbreitungsgebiet erreichen, werden mit Betriebszuschüssen gefördert, um so ihre benachteiligte Position auf dem Werbemarkt gegenüber dem führenden Blatt zu kompensieren. Zusätzlich existiert eine Vertriebsförderung, die an Kooperationen in der Distribution ansetzt. Wenn Zeitungen auf eigene Vertriebssysteme verzichten, können sie von staatlicher Förderung profitieren. Wettbewerbsnachteile kleiner Zeitungen sollen damit ausgeglichen werden. Die genaue Definition der Förderkriterien erlaubt eine weitgehend automatisierte Vergabe der Gelder durch den von der Regierung eingesetzten Presseförderungsrat. 2011 standen rund 80 Millionen Franken hierfür zur Verfügung.

Norwegen: Den Kern der norwegischen Presseförderung macht eine Produktionsförderung aus. Gefördert werden insbesondere kleine Monopolzeitungen und Zweitzeitungen (Auflage von maximal 6000 bzw. 80 000 Exemplaren). Dabei wird von der Annahme ausgegangen, dass größere Zeitungen rentabel betrieben werden können. Zeitungen sind von der Förderung ausgeschlossen, wenn mehr als die Hälfte des Umfangs aus Werbung besteht, mehr als 310 000 Franken Gewinn erwirtschaftet oder eine Dividende ausbezahlt wird. Die Gelder werden von der Medienregulierungsbehörde gesprochen; 2011 standen rund 45 Millionen Franken zur Verfügung.

Dänemark: Wurde bisher vor allem der Vertrieb von Tages- und Wochenzeitungen unterstützt, wird das System gerade hin zu einer Produktionsförderung umgestellt. Damit können künftig auch reine Online-Publikationen subventioniert werden. Gefördert werden neu journalistische Publikationen, sofern mindestens die Hälfte der Inhalte redaktioneller Art sind, davon ein Drittel selbst produziert wird und die Hälfte sich mit politischen oder gesellschaftlichen Themen befasst. Außerdem müssen mindestens drei Journalistinnen oder Journalisten angestellt sein. Kleine nationale Tageszeitungen sowie Online-Publikationen ohne Verbindung zu einem subventionierten Pressetitel können zusätzliche Gelder erhalten.

Neben der Produktionsförderung existiert eine Projektförderung für die Gründung neuer Medien oder die Restrukturierung von Medien in wirtschaftlichen Notlagen. Zudem wird die Umstellung der Mitgliedschaftspresse, die bisher eine Vertriebsförderung erhielt, auf Online-Publikationen unterstützt. Neu stehen jährlich rund 67 Millionen Franken zur Verfügung, die von einem staatlich eingesetzten Gremium vergeben werden.

Österreich: Erstens profitieren Tages- und Wochenzeitungen, die eine bestimmte Mindestauflage überschreiten und eine Mindestzahl hauptberuflicher Journalistinnen und Journalisten beschäftigen, von einer identischen Vertriebsförderung. Zweitens werden nicht marktführende Regionalzeitungen („Zweitzeitungen“), deren Umfang höchstens zur Hälfte aus Anzeigen besteht, zusätzlich in Abhängigkeit der Auflagenhöhe unterstützt, um die regionale Vielfalt zu erhalten. Und drittens werden mit dem Ziel der Qualitätsförderung beispielsweise Ausbildungsmaßnahmen oder die Anstellung von Auslandskorrespondenten gefördert. Die von der Regulierungsbehörde verwalteten Gelder beliefen sich 2012 auf rund 13 Millionen Franken.

Die Produktion fördern

Dieser Überblick verdeutlicht, dass es in Europa an Möglichkeiten zur direkten Presseförderung wahrlich nicht mangelt. Angesichts des wachsenden Stellenwerts des Internets scheint eine Produktionsförderung weitaus zukunftsgerichteter als eine Vertriebsförderung. Damit können neben Zeitungen auch neue journalistische Online-Angebote unterstützt werden, die in ihren Regionen zu einer neuen Medienvielfalt beitragen. Aber auch die Unterstützung von Projekten (beispielsweise für die Transformation bestehender Medien) kann helfen, die Medienkrise zu bewältigen.

Gestaltungsmöglichkeiten gäbe es zuhauf, doch besteht unterdessen auch politischer Gestaltungswille? Angesichts der fortschreitenden Krise verschwindet das Thema Medienförderung jedenfalls nicht so rasch von der politischen Tagesordnung. Das Parlament hat in einer Motion klargemacht, dass es vom Bundesrat Vorschläge erwartet. Auch die Eidgenössische Medienkommission wird sich der Medienförderung annehmen. Wissenschaftliche Resultate können zu einer Versachlichung der ideologisch stark aufgeladenen Diskussion über Medienförderung beitragen. Letztlich liegt es aber an der Politik zu entscheiden, welches Mediensystem die schweizerische Demokratie bekommt.

Der Überblick über Presseförderung in Europa basiert auf dem vergleichenden Forschungsprojekt „Regulierungs-Monitoring“, das von Matthias Künzler, Manuel Puppis, Corinne Schweizer und Samuel Studer derzeit für das Bundesamt für Kommunikation durchgeführt wird. 18 Länder werden berücksichtigt.

Erstveröffentlichung: Neue Zürcher Zeitung vom 30. Juli 2013

Bildquelle: Susanne Krekeler  / pixelio.de

 

 

 

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