Um die Pressefreiheit im Osten Europas ist es schlecht bestellt. Der Westen trägt eine Mitschuld daran, wie der Medienforscher Gábor Polyák herausgearbeitet hat.
Gedacht war die EU-Erweiterung nach Osten ja als ein wichtiger Schritt, um dorthin mehr Demokratie, mehr Meinungs- und Pressefreiheit und mehr Rechtsstaatlichkeit zu „exportieren“. Inzwischen zeichnet sich ab, dass auch bei uns im Westen Demokratie und Pressefreiheit Schaden nehmen und sich mafiöse Geschäftspraktiken ausbreiten, während der Rechtsstaat an Grenzen stößt. Ob das Kräfte sind, die in umgekehrter Richtung wirken als intendiert, sei einmal dahingestellt. Frappierend ist aber allemal, dass die Pressefreiheit vor allem im Osten Europas bedroht ist, indes aber auch im Westen zunehmend gefährdet erscheint – so die Reporter ohne Grenzen in ihrem neuen Jahresbericht.
Wer Genaueres über die Verwerfungen von Medien, Journalismus und Medienpolitik in Osteuropa wissen möchte, findet jetzt in einem neuen Buch des ungarischen Medienforschers Gábor Polyák reichen Lesestoff. Der Autor zeichnet den Transitions- und Transformationsprozess der Medien in Zentral- und Osteuropa gründlich und pointiert nach. Polyák zeigt nicht zuletzt, wie sehr osteuropäische Wissenschaftler die Entwicklung zunächst fehleingeschätzt haben – auch indem sie zuhauf die Investoren aus dem Westen als neue Kolonisatoren gebrandmarkt und so womöglich ihr Scherflein mit dazu beigetragen haben, sie zu vertreiben.
Polyáks Buch ist aber auch ein Wink, wie sehr wir Westeuropäer Fehlentwicklungen in Europas Osten ignoriert oder zumindest vernachlässigt und damit vielleicht ja sogar erst möglich gemacht haben. Tatsache ist jedenfalls, dass in Ländern wie Polen, Tschechien und Ungarn, aber auch auf dem Balkan sowie in Rumänien und Bulgarien sich Oligarchen ausbreiten. Sie missbrauchen ihren Medienbesitz, um politisch Einfluss zu nehmen und vielfach auch, um Autokraten wie Viktor Orbán und Jaroslaw Kaczinsky zu protegieren. Kein gutes Vorzeichen für die EU und für die weitere Integration – aber auch nicht für die künftige Entwicklung im Westen.
Gábor Polyák: Medienpolitik in Osteuropa, Theoretischer Rahmen und mediale Praxis, B&S Siebenhaar Verlag, Berlin/Kassel 2018
Erstveröffentlichung: tagesspiegel.de vom 29. April 2018
Bildquelle: Jennifer Moo / Flickr CC: 366 – 350: You can’t shut me up; Lizenzbedingungen: https://creativecommons.org/licenses/by-nd/2.0/
Schlagwörter:Balkan, Bulgarien, Gábor Polyák, Medienpolitik, Oligarchen, Osteuropa, Polen, Reporter ohne Grenzen, Rumänien, Tschechien, Ungarn