Das European Journalism Observatory ist Partner der Europa-Projektwochen 2022 des Vereins Europe Direct Dortmund. Bei der diesjährigen Veranstaltung dreht sich alles um das Thema Pressefreiheit in Europa. Die Themen und Gäste der Gesprächsreihe wollen wir hier vorab vorstellen.
Oliver Noyan ist leitender Redakteur des deutschen Büros von EURACTIV. EURACTIV ist ein unabhängiges paneuropäisches Mediennetzwerk das kostenlose, lokalisierte Nachrichten zur EU-Politik auf 12 Sprachen veröffentlicht und offene politische Debatten zwischen Regierungen, der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft ermöglicht. Im Interview berichtet Oliver Noyan über die Chancen und Herausforderungen einer gemeinsamen europäischen Medienöffentlichkeit und wie paneuropäische Mediennetzwerke wie EURACTIV zu einem transnationalen Journalismus beitragen können.
Wenn man sich die öffentlichen Debatten in verschiedenen europäischen Ländern anschaut, fällt schnell auf, dass europäische Themen oft noch durch die nationale Brille gefiltert werden. Warum bleibt es so schwer, eine europäische Medienöffentlichkeit herzustellen?
Das hat natürlich mehrere Gründe. Einerseits bilden die verschiedenen Sprachen der EU immer noch Barrieren. Gleichzeitig sind viele der EU-Themen auch nach wie vor sehr technisch aufbereitet, was es nicht nur für Allgemeinbürger, sondern auch für Journalisten selbst oft nicht gerade einfach macht, ihnen zu folgen.
Gleichzeitig handelt es sich aber auch um einen Prozess. Die nationalen Medienlandschaften sind über Jahrzehnte langsam gewachsen. Die EU wurde ja lange mit regulatorischen Themen in Verbindung gebracht, die wenig politische Brisanz mit sich brachten und sich deshalb eher schlecht in die Medienlogik einbetten ließen – denn wer will schon über neue Vorgaben zu beispielsweise Staubsaugern lesen.
Ich denke aber, dass sich hier seit der Euro-Krise ein gewisser Wandel in der Wahrnehmung der EU abzeichnet. Denn die mediale Präsenz und die Bedeutung der EU wächst in Krisenzeiten. Ich glaube, dass es hier eine positive Entwicklung gibt. Denn die Europäische Kommission wird zusehends als wichtiger Akteur wahrgenommen – wie man derzeit ja auch in Bezug auf die Sanktionen gegen Russland sieht.
Ist eine gemeinsame europäische Medienöffentlichkeit mit den verschiedenen Sprachen Europas überhaupt möglich?
Ich denke, eine europäische Öffentlichkeit ist durchaus möglich. Grundsätzlich sehe ich da zwei Optionen.
Einerseits, dass EU-Themen verstärkt durch nationale Medien thematisiert werden. Gerade in Deutschland ist dieser Prozess im Vergleich zu anderen Staaten schon relativ weit fortgeschritten. Allerdings gibt es hier einerseits die Gefahr, dass EU-Themen rein durch die nationale Linse betrachtet werden, während andererseits auch eine gewisse Zersplitterung der EU-Berichterstattung zwischen den Mitgliedsstaaten auftritt.
Eine zweite Möglichkeit sind paneuropäische Mediennetzwerke. So könnten nationale Medien ihre Zusammenarbeit mit Medien im europäischen Ausland verstärken und dadurch eine transnationale Ebene zu ihrer Berichterstattung hinzufügen.
Wie versuchen Sie journalistisch über europäische Grenzen hinweg zu arbeiten?
Das funktioniert bei EURACTIV vor allem über unser Network. Wir haben nationale Zweigniederlassungen in fast allen europäischen Hauptstädten, die jeweils in ihrer Landessprache über EU-Entwicklungen berichten.
Einmal die Woche haben wir hier ein redaktionelles Treffen, bei dem wir uns die jeweiligen, für die EU-Ebene relevanten Entwicklungen austauschen und einen gemeinsamen Redaktionsplan erstellen.
Zusätzlich besteht auch immer die Möglichkeit, sich bei etwaigen Fragen direkt an den jeweiligen Journalisten in einem der Mitgliedsstaaten zu wenden.
Oliver Noyan wird am 08.06. bei unserer Online-Veranstaltung Am Kiosk in ganz Europa – Herausforderung europäische Medienöffentlichkeit zu Gast sein.
Interview und Beitragsbild: Europe Direct Dortmund
Schlagwörter:EU-Berichterstattung, Europa, Pressefreiheit