Auf den Hund gekommen

4. Oktober 2019 • Aktuelle Beiträge, Medienökonomie • von

Google schlachtet die Presse ab. Ringier und Tamedia versuchen endlich eine Gegenoffensive.

Die kolossalste Fehleinschätzung in der Schweizer Mediengeschichte stammt aus dem Jahr 2007. Sie ist legendär geworden.

Die Fehleinschätzung stammt vom damaligen Verleger-Präsidenten Hanspeter Lebrument. 2007 sagte er in seiner Rede am Branchenkongress in Luzern den legendären Satz: „Google hat Angst vor uns.“

Es war Pfeifen im Walde. Denn in der Folge schlachtete Google die Verleger regelrecht ab. Seit 2007 ist das Werbevolumen der Schweizer Presse von 2,5 Milliarden auf unter eine Milliarde gesunken. Google, damals noch bei einem Werbeertrag von gerade mal 30 Millionen, liegt heute bei 1,7 Milliarden.

Erstaunlich daran war: Die Schweizer Verlage ließen sich metzgen wie die Lämmer. Es gab bis heute keinen ernsthaften Versuch einer Google-Gegenoffensive.

Nun ist erstmals eine Anti-Allianz gegen Google in Sicht. Unter dem Codenamen „Zara“ planen die beiden Marktleader Ringier und Tamedia ein Joint Venture. Sie wollen ihre Daten-getriebene Werbung in einer gemeinsamen Firma zusammenlegen.

Daten-getrieben. Um das zu verstehen, müssen wir kurz den Unterschied zwischen Werbung auf Google und Werbung in klassischen Medien aufzeigen. Es ist der Unterschied zwischen präzisen Schüssen und gestreutem Schrot.

Wenn etwa die Kleiderkette H & M für ihre Werbung 300.000 junge, urbane Frauen mit Flair für Fashion sucht, dann liefert ihr Google 300.000 junge, urbane Frauen mit Flair für Fashion. Die Suchmaschine kennt das Konsumverhalten und die Demografie ihres Publikums genau, weil sie dessen Internetaktivitäten akribisch registriert.

Wenn die Kleiderkette H & M hingegen in einer Zeitung oder Zeitschrift inseriert, dann kann sie nur raten, an wen ihre Werbebotschaft gelangt. Sie weiß nicht, wie viele junge, urbane Frauen mit Flair für Fashion sich in der Leserschaft finden oder ob sie nur ländliche Rentner ohne Modeinteresse erreicht. Die Presse kennt das Konsumverhalten und die Demografie ihres Publikums nur schlecht.

Ringier und Tamedia versuchen im Projekt „Zara“ nun eine Google-Imitation. Sie lagern all ihre Kundendaten, die dem Google-Standard entsprechen, in ihr Joint Venture aus. Es sind, wie bei Google, Daten zu Konsum, Beruf, Einkommen, Freizeitaktivität und Altersstruktur der eigenen Klientel. Die Kundendaten stammen vor allem aus den Online-Inventaren wie Blick online und 20 Minuten online.

Als zusätzliche Partner der neuen Vermarktungs-AG sind auch RTL und Pro Sieben Sat 1 mit ihren nutzbaren Kundendaten dabei. Die Swisscom überlegt sich ebenso einen Einstieg.

Kräftig zurückbellen

Man startet mit einem Umsatz von 75 Millionen. Das sind keine Google-Dimensionen, aber immerhin. Die Medienhäuser ziehen so zumindest beim Angebotsmodell mit Google gleich. Auch sie können der Werbewirtschaft künftig die dort gewünschten Zielgruppen anbieten. Sie offerieren nicht mehr ein Inserat im Tages-Anzeiger oder im Beobachter, deren Adressaten mehr als verschwommen sind. Sie liefern der Werbung nun auch präzise Zielobjekte wie 300.000 Frauen mit Flair für Fashion oder 300.000 SUV-Fahrer mit einer Vorliebe für Bordeaux oder was auch immer.

Die Idee für die neuartige Kooperation stammt von Ringiers CEO Marc Walder. Er brachte auch die Partner ins Boot. Damit wissen wir nun auch, warum das Projekt „Zara“ heißt. Das ist der Name von Michael Ringiers Hund.

Wegen Google ist die Verlagsbranche seit 2007 gehörig auf den Hund gekommen. Das Projekt rund um Hund „Zara“ ist der erste Versuch, endlich mal kräftig zurückzubellen.

Erstveröffentlichung: Die Weltwoche vom 25. September 2019

Bildquelle: pixabay.de

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