TikTok, Videospiele, falsche Faktenchecks: Was tun gegen Desinformation?

28. April 2022 • Aktuelle Beiträge, Digitales, Internationales, Qualität & Ethik • von

Desinformation legt sich wie ein Nebel über die Geschehnisse in der Ukraine und immer mehr Menschen in verschiedenen Teilen der Welt fallen dieser Art von Manipulation zum Opfer. Tatsächlich seien viele unwissentlich an der Erstellung und Verbreitung von Desinformation beteiligt und unterstützen diese sogar, erklärt der Journalismusforscher Dren Gërguri.

In den vergangenen Jahren haben wir immer wieder Wellen von Desinformation im Zusammenhang mit historischen Ereignissen wie dem Brexit, den Präsidentschaftswahlen in den Vereinigten Staaten und der Covid-19-Pandemie erlebt. Nun hat der Beginn des Krieges in der Ukraine im Februar eine neue Welle der Desinformation ausgelöst. Kontinuierlich werden die Erfahrungen der vom Krieg Betroffenen in allen Medienkanälen thematisiert – dennoch wird den Zuschauern oft nur eine manipulierte Realität vorgeführt. Dies gilt insbesondere für die Berichterstattung über den Krieg in den sozialen Medien.

Diese Tatsache unterstreicht die Bedeutung von Diskussionen über Medienkompetenz: Rezipienten müssen in der Lage sein, die gleichen Überprüfungsinstrumente und -strategien wie Journalisten zu nutzen, um sicherzustellen, dass alle Informationen, die sie erhalten, zuverlässig sind.

Einsatz von Videospielen in Desinformationskampagnen

Diese Diskussionen werden immer notwendiger, da die Drahtzieher von Desinformationskampagnen immer wieder aufs Neue innovative Wege finden, um die Wahrheit zu verdrehen. Besonders deutlich wird dies bei der aktuellen Welle von Desinformation über die Ukraine. Neuerdings werden hier sogar Videospiele zur Verbreitung eingesetzt.

Ein bemerkenswertes Beispiel ist ein Video, das angeblich Material über den Krieg in der Ukraine enthalten soll und auf Facebook und YouTube tausende Male aufgerufen wurde. Später stellte sich heraus, dass die Aufnahmen aus einem Videospiel namens „ARMA 3“ stammten. Auch ein rumänischer Fernsehsender veröffentlichte diese Bilder, was die Verwirrung darüber, was echt ist und was manipuliert wurde, noch verstärkt hat.

Manipulation auf TikTok

Auch die Kurzvideoplattform TikTok war während des Ukraine-Kriegs ein Nährboden für Desinformation, und zwar in einer Weise, die ausgeprägter war als auf den meisten anderen Kanälen. Auf TikTok wurden Videos mit verändertem Inhalt mehr als 30 Millionen Mal aufgerufen, und Videos, die angeblich aus einer ukrainischen Stadt stammen, erreichten innerhalb von 24 Stunden 5,8 Millionen Aufrufe.

Laut einer Studie von NewsGuard werden neue TikTok-Nutzer innerhalb weniger Minuten nach dem Einloggen in die App mit Unwahrheiten über den Krieg gefüttert, selbst wenn sie nicht nach der Ukraine suchen.

Gefälschte Faktenchecks

Eine weitere besorgniserregende Taktik innerhalb der Desinformationskampagne ist der Missbrauch von Faktenchecks. So gibt sich beispielsweise die Website „WarOnFakes“ als Faktenprüfer aus, verbreitet aber in Wirklichkeit russische Propaganda, wie eine Analyse der Deutschen Welle ergab. Die Website wurde in einem Tweet des russischen Verteidigungsministeriums zitiert, das „WarOnFakes“ als eine Gruppe von Experten und Journalisten vorstellt. Die Deutsche Welle untersuchte diese Website jedoch und kam zu dem Schluss, dass wichtige Informationen fehlen, z. B. zu den Betreibern und den Personen hinter den „Faktenchecks“. Inzwischen wird die Website von den russischen Medien und der russischen Regierung immer häufiger als Quelle genutzt.

Bekämpfung von Desinformation

Wie in diesem Artikel dargelegt, ist der Informationskrieg in der heutigen digitalen Welt wesentlich ausgeprägter als zuvor. Die digitale Entwicklung setzt voraus, dass das Publikum immer besser in der Lage sein muss, Medieninhalte zu analysieren und zu beurteilen, bevor es ihnen Glauben schenkt. Durch das Ausmaß kursierender Desinformation zu Covid-19 und zum Krieg in der Ukraine wird noch einmal deutlich, wie wichtig es ist, die Drei-Fragen-Strategie zur Bekämpfung von Desinformation zu befolgen. Diese wurde bereits in einem früheren Artikel im European Journalism Observatory beschrieben.

Im Wesentlichen zielt die Strategie darauf ab, den Autor zu identifizieren und seine Glaubwürdigkeit zu prüfen, mehrere Quellen zu der Geschichte zu überprüfen und zu hinterfragen, ob die Informationen auf belegbaren Tatsachen beruhen.

Journalisten sind in der Verantwortung, noch aufmerksamer und vorsichtiger gegenüber den zahlreichen Propaganda- und Desinformationskampagnen zu sein. Außerdem sollten sie gemeinsam zur Aufdeckung falscher und nicht belegbarer Inhalte beizutragen. Angesichts der Tatsache, dass immer mehr Medien weltweit Desinformation ungeprüft übernehmen und infolgedessen manipulierte Inhalte veröffentlichen, müssen sich Journalisten stärker auf die Überwachung und Überprüfung von Nachrichtenquellen konzentrieren.

Auch angepasste Redaktionsstrukturen können dazu beitragen, dass Desinformation vor der Veröffentlichung eines Beitrags herausgefiltert wird. Eine Möglichkeit dazu besteht darin, Journalisten in Methoden und Programmen zu schulen, die zur Überprüfung von Fotos, Videos und Texten eingesetzt werden können. Redaktionen sollten auch erwägen, die Zahl der Redakteure zu erhöhen, um Sorgfalt und Kontrolle über die Informationen zu verbessern.

Diese Bemühungen sollten ein wesentlicher Bestandteil der Arbeitsweise heutiger Redaktionen sein, um die Integrität des journalistischen Berufsstandes zu schützen und die Verbreitung gefährlicher Desinformation zu verhindern.

 

Erstveröffentlichung: EJO UK, 22.04.2022

Beitragsbild: geralt/pixabay.com

Die hier geäußerten Meinungen und Ansichten sind allein jene der Verfasser und spiegeln nicht den Standpunkt der Redaktion des EJO oder der mit dem EJO verbundenen Organisationen wider.

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