Für mehr Diversität im Journalismus

3. Februar 2020 • Aktuelle Beiträge, Internationales, Qualität & Ethik • von

Wenn eine größere Vielfalt von Stimmen in den Medien Gehör fände, könnten Stereotype, vereinfachende Darstellungen und struktureller Rassismus vermieden oder zumindest offengelegt werden, sind sich die Autorinnen und Autoren des Sammelbandes „Unbias the News“ einig, den das Netzwerk Hostwriter und das Recherchezentrum Correctiv herausgegeben haben.

Die Annahme, die dem Buch „Unbias the News. Warum Journalismus Vielfalt braucht“ zugrunde liegt, ist, dass persönliche und gesellschaftliche Umstände die Nachrichtenproduktion beeinflussen. Faktoren wie Herkunft, Geschlecht, wirtschaftliche und soziale Stellung oder sexuelle Orientierung der Journalist*innen sind entscheidend dafür, welchen Zugang ein*e Journalist*in zu Informationen hat, wessen Name in der Autorenzeile auftaucht und welche Themen es auf die Titelseiten schaffen. Dies illustrieren beispielhaft die Beiträge von 33 Autor*innen aus allen Erdteilen, die von verschiedenen Hürden in ihrem journalistischen Alltag berichten.

So beschreibt die indische Journalistin Anuradha Sharma, wie sie mehrfach die Redaktion wechselte, weil sie keine andere Möglichkeit sah, sich vor Diskriminierungen bis hin zu sexuellen Übergriffen zu schützen. Die US-Amerikanerin Amber D. Dodd erzählt, wie sie darum kämpft, als schwarze Frau im Sportjournalismus ernst genommen zu werden. Ali Shehab weist auf die Fallstricke hin, die Berichterstattung über den Nahostkonflikt so schwierig machen. So sei der Kontakt zu Israelis aus libanesischer Sicht illegal; wer die israelische Perspektive aber nicht beachte, gelte schnell als tendenziös. Alle Autor*innen gehören dem Netzwerk Hostwriter an, das Cross-Border-Journalismus fördert, indem es auf seiner Plattform Journalisten aus aller Welt zusammenbringt. Mitgründerin Tabea Grzeszyk erklärt im Vorwort plastisch, dass alle Journalist*innen von Bias betroffen sind, aber einige Gruppen deutlich stärker als andere.

Hierarchische und diskriminierende Strukturen können nicht nur den einzelnen Journalist*innen professionell und persönlich im Weg stehen, sondern auch zu Ungenauigkeiten und Verfälschungen in der Berichterstattung führen, beobachtet Jelena Prtoric. Wenn sie als Fixerin für ausländische Journalist*innen im Balkan Gesprächspartner vorschlug, wurden diese manchmal abgelehnt, weil sie den stereotypen Vorstellungen der Journalist*innen nicht entsprachen, oder ihre Geschichten wurden dramatisiert, damit sie besser in die geplante Story passten.

Wer Fixer ist und wer die Dienste eines Fixers in Anspruch nimmt, kann außerdem von der Nationalität abhängen – ebenso wie Themen aus einigen Ländern als relevanter erachtet werden als andere, heißt es in „Unbias the News“. Dies sei eng verbunden mit dem Faktor Sprache, dem eigentlichen Medium und Werkzeug, mit dem Nachrichten gemacht werden. Einige wenige Sprachen dominierten die internationalen Nachrichten, was nicht nur bestimmte Sprachgruppen vom Medienkonsum oder der Medienproduktion ausschließe, sondern auch einige Themen in den Vordergrund rücke und andere vernachlässige. Tanya Pampalone kritisiert, dass in Südafrika Englisch und Afrikaans die Medienwelt beeinflussen, und zahlreiche andere Sprachen, zum Beispiel das weit verbreitete Xhosa, kaum repräsentiert seien. Bex van Koot befasst sich mit gendergerechter Sprache und wünscht sich einen bewussteren Umgangen mit nicht-binären Identitäten – wer neue Namen lernen könne, könne auch neue Pronomen lernen.

Die teils persönlichen Texte, in denen die Autor*innen ihre Erlebnisse als Journalist*innen reflektieren, bieten Einblicke in die journalistische Dimension gesellschaftlicher Dynamiken und zeigt auf, wie die mediale Repräsentation Ungleichheiten kreieren, verstärken oder auch offenlegen und bekämpfen kann. Viele der so angeschnittenen Problematiken bieten vielversprechende Ansätze für wissenschaftliche Nachforschungen, um die existierende Voreingenommenheit systematisch zu hinterfragen, mit Fakten zu belegen und so Lösungswege finden zu können. Eine Idee, die Brigitte Alfter im letzten Kapitel des Buches anregt, ist: Mehr Zusammenarbeit! Cross-Border-Journalismus könne dabei helfen, zur Vielfalt im Journalismus beizutragen. Dafür brauche es die richtigen Methoden – und eine offene Geisteshaltung.

 

 

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