Qualitativ hochwertiger Lokaljournalismus zieht neue Leserinnen und Leser an. Aber oft fehlt es in den Redaktionen an Personal. Im Gespräch mit Jana Klameth von der Freien Presse in Chemnitz und Jost Lübben von der Westfalenpost in Hagen wurde diskutiert, was guten und preiswürdigen Lokaljournalismus ausmacht und wie dieser durch attraktive Arbeitsbedingungen in Redaktionen ermöglicht werden kann.
„Wir beobachten, dass viele Debatten nicht mehr ausgetragen werden, sondern dass Meinungen sich einfach gegenüber stehen in den sozialen Netzwerken“, sagt Jost Lübben, Chefredakteur der Westfalenpost in Hagen. „Dieses Grundverständnis, dass man in einer Demokratie jeden Tag auf Menschen trifft, die andere Meinungen haben und diese dann austauschen, das wird immer weniger.“ Hier müsse qualitativer Lokaljournalismus ansetzen und mit seiner Berichterstattung Debatten in der Gesellschaft fördern.
Durch welche weiteren Kriterien sich guter Lokaljournalismus auszeichnet und welchen Herausforderungen er dabei begegnet, zeigte eine Diskussion im Dortmunder Erich-Brost-Institut an der TU Dortmund mit Jost Lübben und Jana Klameth, stellvertretende Chefredakteurin der Freien Presse in Chemnitz, die digital zugeschaltet war. Die Diskussion fand statt im Rahmen der Seminarreihe „Lokaljournalismus heute“ im Studiengang Journalistik unter Leitung von Prof. Dr. Wiebke Möhring und Anna-Lena Wagner.
Ausgezeichneter Lokaljournalismus
Wer in Deutschland großartigen Lokaljournalismus macht, hat die Chance, den Lokaljournalistenpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung verliehen zu bekommen, der seit 40 Jahren jährlich vergeben wird. Beide Gäste sitzen in der Jury, Jost Lübben seit 2018, Jana Klameth seit diesem Jahr als Vorsitzende. Sie erklärten, welche Kriterien für eine Auszeichnung relevant und damit Kennzeichen für qualitativen Lokaljournalismus sind.
„Es muss schon beim ersten Lesen etwas sein, das herausragt”, sagt Jana Klameth. Die Nähe zu den Lesern und Leserinnen sei ein wesentlicher Punkt, auf den die Jury achte. Relevanz spiele eine große Rolle, aber natürlich müsse auch das Handwerk stimmen. Wichtig sei auch die Aufbereitung, gegebenenfalls auch eine crossmediale, und ein ungewöhnlicher Zugang zum Thema. In diesem Jahr haben zwei junge Journalistinnen der Rheinischen Post mit den „RheinStories“ den Sonderpreis für Volontärsprojekte gewonnen. Die beiden waren acht Wochen lang mit einem T1-Bulli im Rheinland unterwegs und produzierten Geschichten für verschiedene Kanäle. „Das war so innovativ, das hat uns begeistert“, sagt Jana Klameth.
Von großer Bedeutung sei auch, dass die Geschichten beim Publikum gut ankommen. Bei Online-Beiträgen könne mit Tracking Tools einfach nachverfolgt werden, wie oft sie geklickt wurden. In der nächsten Ausschreibung des Preises solle auch explizit danach verlangt werden, so Lübben. „Das ist eins der wichtigsten Kriterien. Wir wollen ja gelesen werden”, erklärt Jana Klameth.
Lokaljournalismus als unterbewertete Chance
Beide Gäste betonten in der Diskussion ihre Leidenschaft für ihren Beruf. Jost Lübben machte deutlich, dass seine Arbeit ihn voll erfülle, da besonders der Lokaljournalismus für ihn wichtige öffentliche Aufgaben übernehme und er so in seinen Augen einen sinnvollen Beitrag leiste. Jeden Tag gehe er so aufs Neue voller Motivation und Spaß in den Arbeitstag. Doch genau diesen Stellenwert scheinen viele Journalistinnen und Journalisten nicht so zu sehen: Jana Klameth von der Freien Presse berichtete von einem großen Mangel an Redakteuren im Lokalen. Eine Entwicklung, die auch viele andere Zeitungsverlage feststellen: Sie suchen deutlich intensiver als früher nach geeigneten Nachwuchskräften. Die Gründe scheinen vielschichtig, angehende Journalisten halten z. B. die Arbeitsbedingungen bei Zeitungen, die Bezahlung oder den Standort der Redaktionen für wenig attraktiv.
Doch gerade größere, hintergründige Geschichten und längere Recherchen sind nur möglich mit einem großen und gut funktionierenden Team – und besonders diese Geschichten seien wichtig, so Chefredakteur Lübben. Sie zögen die Leser an und motivierten sie, zahlende Kunden zu werden und natürlich auch zu bleiben.
Investitionen als Schlüssel
Lübben betonte, dass für guten Lokaljournalismus einige Ausgaben getätigt werden müssten. Sein Schlüssel, neues Personal in die Redaktionen zu holen, sei eine moderne Ausstattung, Feedback-Kultur und die Verankerung der neuesten Methoden und Abläufe im Redaktionsalltag. Insbesondere bei jungen Mitarbeitenden könne man mit der neuesten technischen Ausstattung punkten, sagt der 57-Jährige. Die Gäste stellten in der Diskussion einen weiteren wichtigen Punkt heraus: Nur ein Team, das bereit sei, die neuesten Methoden und Möglichkeiten der Digitalisierung zu nutzen, stelle auch ein Produkt her, dass ein junges und neues Publikum anzieht. Neue Apps, Newsletter und gut gemachte und gepflegte Auftritte in den sozialen Medien sind für Klameth und Lübben der Schlüssel, um auch junge Leser für den Lokaljournalismus zu begeistern.
Auch die Diversität hat für Lübben einen hohen Stellenwert. Die Zahl der Redakteurinnen bei der WP ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Nachdem es hier zuletzt immer positivere Entwicklungen gebe, möchte er jetzt mit gezieltem Suchen auch für mehr Journalistinnen und Journalisten mit Migrationshintergrund in seinen Redaktionen sorgen. Denn für ihn kann nur ein vielfältiges Redaktionsteam auch ein vielfältiges Publikum ansprechen.
Beim Aufbau neuer, moderner Redaktionen auf lokaler Ebene ist auch das Ausprobieren neuer Konzepte wichtig. Jana Klameth erzählt von einem Projekt der Freien Presse in Chemnitz, bei dem in einer Kleinstadt ein Online-Team völlig unabhängig von der Printredaktion arbeiten soll. „Damit haben die skandinavischen Länder durchaus Erfolg”, sagt sie. Der Anspruch sei dabei, so viele Themen wie möglich Online zu verarbeiten und eine Berichterstattung zu bieten, die sehr aktuell und kleinteilig auf lokale Ereignisse blickt. Klameth und Lübben sind sich einig, dass kreative neue Arbeitsmethoden essenziell seien, um im Lokaljournalismus positive Ergebnisse zu erzielen.
Hierbei spielen auch die Themen Visualisierung und Videojournalismus eine Rolle. In diesem Bereich haben sich Lokalredaktionen in den letzten Jahren weiterentwickelt und arbeiten nun an vielen Stellen mit Videomaterial. Jost Lübben erklärt, dass Kooperationen hier sehr wichtig seien und der Austausch mit Personen, die Experten im Videoschnitt sind, für klassische Journalisten eine große Bereicherung sei. Ständige Weiterbildung, Workshops und Zusammenarbeit mit Kollegen aus beispielsweise dem Videobereich, könnten den Lokaljournalismus gerade auch für junge Journalisten attraktiv machen.
Die Diskussion machte deutlich, dass auf qualitativ hochwertigen Lokaljournalismus großen Wert gelegt wird und dieser auch neue Kunden anziehen oder alte Leser zurückholen kann. Um Qualität gewährleisten zu können, müssen Medien aber auch ihren Journalisten einen attraktiven Arbeitsplatz bieten. Neue Ideen sollten gefördert werden und durch Workshops die Möglichkeit geboten werden, sich ständig weiterzubilden. Beide Gäste sind sich zudem einig, dass Auszeichnungen wie der Lokaljournalistenpreis für Redaktionen sehr bereichernd und ermutigend seien: „Das Team merkt, es macht die Arbeit nicht nur lokal oder regional, sondern es gibt auch Anerkennung auf nationaler Ebene”, erklärt Lübben.
Dieser Beitrag entstand im Rahmen des Seminars „Lokaljournalismus heute“ am Institut für Journalistik der TU Dortmund unter Leitung von Prof. Dr. Wiebke Möhring und Anna-Lena Wagner. Dieses findet im Wintersemester 2021/22 in Kooperation mit dem Regionalbüro Westfalen der Konrad-Adenauer-Stiftung statt.
Schlagwörter:Lokaljournalismus, Lokaljournalistenpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung, Qualität, RheinStories