Podcast und Journalismus: Chancen für gut recherchierte Geschichten

9. Februar 2023 • Aktuelle Beiträge, Qualität & Ethik • von

Der neue Sammelband «Podcast» geht der Entstehungsgeschichte und dem aktuellen Forschungsstand des trendigen Medienformats auf den Grund. Ein Format, das durch seine Vielseitigkeit besticht und für den Qualitätsjournalismus viel zu bieten hat.

Der neue Sammelband «Podcast: Perspektiven und Potenziale eines digitalen Mediums» herausgegeben von Vera Katzenberger, Jana Keil und Michael Wild im Springer Verlag macht eine Bestandesaufnahme der Forschung und Praxis im Deutschsprachigen Raum.

 «Mit Podcasts stand es allen offen, selbst Radio zu machen bzw. die eigene Show über das Internet zu verbreiten – und allen war es möglich, bei Interesse zuzuhören» S. 1

Podcast-Aufnahme / Quelle: pixabay

Podcast werden hier als ein Format dargestellt, in dem jede:r mitmachen kann. Denn die technischen und finanziellen Hürden sind sehr niedrig. Heute können mit einem Smartphone unkompliziert Audioinhalte produziert und publiziert werden. Dies ist eine Erklärung, warum Podcasts von der Nischenerscheinung zum Mainstream geworden sind, so die Autor:innen.

Ab 2004 – auch bedingt durch die technischen Entwicklungen – hat sich Podcast im Mainstream etabliert. Insbesondere infolge der Ausweitung des mobilen Internets und mobilen Endgeräten.  Während der Coronapandemie gab es noch einmal einen deutlichen Schub.

Im Jahr 2021 gab es auf Apple über 2 Millionen Podcasts und auf Spotify über 3,6 Millionen (davon über 70’000 deutschsprachige Podcasts) . Apple Podcast hat seit Juni 2021 die Zahl an Abonnent:innen sogar verdreifacht. 

Das Format ist also mitten in einer sehr dynamischen Entwicklung. Daher lohnt es sich, auf die Forschung zu Podcasts zu schauen.

Podcast in der Kommunikationswissenschaft

Die Autor:innen stellen vier große Bereich der Kommunikationsforschung zu Podcasts vor: Produzent:innen, Darstellungsformen, Nutzung, sowie Wirkung und Rezeption.

Podcast-Produzent:innen

Als erstes stellen sich die Herausgeber:innen des Sammelbandes die Frage, wer denn überhaupt Podcasts produziert. Sie stellen fest, dass es anfangs vor allem unabhängige Produzierende waren, die in ihrer Freizeit Podcasts machten. Jedoch hat sich durch die Plattformisierung und deren Empfehlungsalgorithmen eine Professionalisierungstendenz eingestellt. So sind es zurzeit eher professionelle Podcaster:innen, Medienunternehmen und Produktionsstudios, die die meisten (erfolgreichsten) Podcasts produzieren. Eine spannende Entwicklung ist aber auch, dass sich zunehmend auch die Zeitungsverlage für das Audio-Medium interessieren, aber auch die Wissenschaft und Wirtschaftsunternehmen nutzen Podcasts immer häufiger. Diese Diversität an Produzent:innen spiegelt sich auch in den angebotenen Inhalten und Darstellungsformen wider.

Darstellungsformen

Generell bedienen Podcasts die klassischen Bereiche der Information, Unterhaltung und Kultur. Was Podcast aber ausmacht, ist das Storytelling, welches ganz klar im Mittelpunkt steht. Daher hat sich insbesondere narrative Journalismusformen im Podcast heimisch gefühlt. Einige der erfolgreichsten Podcasts sind True-Crime-Geschichten, welche Information und Unterhaltung gekonnt verzahnen. «Sie haben nicht das primäre Ziel, ein Thema faktisch abzubilden, sondern verfolgen vielmehr die Absicht, den Hörer:innen ein emotionales Erlebnis zum Mitfiebern zu liefern», so die Herausgeber:innen im einleitenden Kapitel des Sammelbandes.

Podcast-Nutzung

Eine Onlinestudie von ARD/ZDF zeigt, dass sich die Nutzung zwischen 2018 und 2021 verdoppelt hat. Mehr als die Hälfte der Menschen über 14 Jahre nutzen mindestens gelegentlich Podcasts – in 2018 waren es noch 26%. Laut Studien werden meist wöchentliche Erscheinungsformate genutzt mit einer länge von 45-60 Minuten. Laut Vera Katzenberger, Jana Keil und Michael Wild bieten Podcasts somit eine Chance auf hintergründige und intensive Themenauseinandersetzungen.

Rezeption und Wirkung

In der Einleitung des Sammelbandes wird aber auch deutlich, dass es noch an vertieften Studien, die den Rezeptionsprozess von Podcastnutzung untersuchen, fehlt. Trotzdem gibt es einen wissenschaftlichen Konsens, dass Intimität, Authentizität und Emotionen wichtige Besonderheiten von Podcasts ausmachen – durch die auditiven und immersiven Erzählstrategien, die oft genutzt werden. Studien deuten auch darauf hin, dass Hörer:innen eine besonders freundschaftliche Beziehung zu den Podcaster:innen entwickeln, welche eine erhöhte Loyalität mit sich bringen kann. Andere Studien deuten darauf hin, dass dadurch auch Einstellungen und Verhaltensweisen der Hörer:innen beeinflusst werden könnten. Somit wird den Podcasts ein gesteigertes persuasives Potenzial zugeschrieben. Ein solches kann zum Beispiel auch den Lernprozess unterstützen. Jedoch besteht in diesem Bereich noch sehr viel Forschungsbedarf, denn die Lücken in der Rezeptions- und Wirkungsforschung zu Podcasts sind immens.

Podcast und Journalismus

Für den investigativen und Qualitäts-Journalismus stellen Podcasts eine besondere Chance dar. In ihrem Kapitel „Journalismus zum Bingen: Potenziale und Funktionen serieller Podcasts für das digitale Storytelling“ erklären Till Krause und Klaus Uhrig warum. Denn, Podcast hat sich im investigativen Journalismus neben Buchveröffentlichungen und Dokumentarfilmen eingereiht, als ein Format, in dem die Recherche ohne Längenbegrenzung erzählt werden kann.

Darüber hinaus haben journalistische Podcast-Serien ein Suchtpotential. Die Autoren nennen als klassisches Beispiel Serial von der Journalistin Sarah Koenig oder Die Mafiaprinzessin vom Süddeutsche Zeitung Magazin in Zusammenarbeit mit FYEO. Des Weiteren werden Wer hat Burak erschossen? von RBB, Wirecard – 1,9 Milliarden Lügen, und Made in Germany – Das Flughafenfiasko BER als Beispiele erwähnt.

Was macht dieses Format aus? Es mischt Stilelemente von fiktionalen Formaten mit Recherchen nach den Regeln von Qualitätsjournalismus. „Sie sind weder Fiktion noch ‚based on a true story‘, also auch keine Hybridformen, sondern klarer Journalismus – nur eben in einer spannend und ansprechend aufbereiteten Form“, so Till Krause und Klaus Uhrig.

«eine Mischung aus recherchestarkem Journalismus und unterhaltenden Elementen des seriellen Erzählens»  S. 447

Dabei Zielen die Podcasts weniger auf Aktualität ab, als auf Prozesshaftigkeit, welches das Hören zu einem Erlebnis macht.

Journalistische Recherche wird transparent

Was diese seriellen journalistischen Podcasts aber anders und aus-macht, ist die Nähe zur journalistischen Recherche. Journalist:innen werden in den Podcasts in ihrer Recherche begleitet. Das produziert Nähe – auch zum Beruf. Sie sind laut den Till Krause und Klaus Uhrig oft Co-Protagonist:innen in der Geschichte. Etwas, was von vielen Hörer:innen geschätzt wird.

Somit vereinen journalistische Podcasts alle vier Merkmale des narrativen Journalismus. Diese sind laut Schlütz: Subjektivität, Personalisierung, Kontextualisierung, und Transparenz.

Was bedeuten solche seriellen Podcasts für Medienhäuser?

Till Krause und Klaus Uhrig beschreiben in ihrem Kapitel folgende Trends:

  • Gewinnung neuer Zielgruppen, denn Podcastnutzer:innen sind durchschnittlich deutlich Jünger (unter 30) als Zeitungsleser:innen.
  • Ausweitung des digitalen Angebots, insbesondere für Zeitungsverlage
  • Nischenmärkte ansprechen
  • Podcasts bieten einen oft langlebigeren Inhalt als Aktualitätsnachrichten und generieren auch nach Monaten noch neue Reichweite.

Das Fazit der Autoren: „Kaum ein anderes Format bietet so viel Raum für Geschichten und ihre Entfaltung“.

Weitere EJO-Beiträge zum Thema:

Wie französische Zeitungen auf Podcasts setzen

Trends in Journalismus, Medien und Technologie für 2023

Quellen

Katzenberger, V., Keil, J., & Wild, M. (Eds.). (2022). Podcasts: Perspektiven und Potenziale eines digitalen Mediums. Springer Fachmedien Wiesbaden; Imprint Springer VS. https://doi.org/10.1007/978-3-658-38712-9

Katzenberger, V., Keil, J., & Wild, M. (2022). Mehr als die Summe seiner Teile: Entwicklung, Forschungsstand und Definition von Podcasts. In V. Katzenberger, J. Keil, & M. Wild (Eds.), Podcasts: Perspektiven und Potenziale eines digitalen Mediums (pp. 1–19). Springer Fachmedien Wiesbaden; Imprint Springer VS.

Krause, T., & Uhrig, K. (2022). Journalismus zum Bingen: Potenziale und Funktionen serieller Podcasts für das digitale Storytelling. In V. Katzenberger, J. Keil, & M. Wild (Eds.), Podcasts: Perspektiven und Potenziale eines digitalen Mediums (pp. 445–460). Springer Fachmedien Wiesbaden; Imprint Springer VS.

Mai, L. und Reichow, D. (2021). Ergebnisse aus den ARD/ZDF-Massenkommunikation Trends und der ARD/ZDF-Onlinestudie. Radio- und Audionutzung 2021. (https://www.ard-zdf-onlinestudie.de/files/2021/Mai_Reichow.pdf)

Schlütz, D. (2020). Auditive “deep dives”. Kommunikation@gesellschaft, 21(2). https://doi.org/10.15460/kommges.2020.21.2.620

 

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