Schafft Transparenz – und viele Ethik-Kodices

1. Februar 2006 • Qualität & Ethik • von

Erstveröffentlichung: Message 2/06

Die öffentliche Diskussion um den Einfluss von PR auf Journalismus ist überfällig, aber sie läuft in die falsche Richtung.

Hie unabhängiger Journalismus, dort interessengeleitete PR: Wie sich Thomas Leif und das Netzwerk Recherche inszenieren, das ist genauso vorgestrig und absurd wie die Einebnung aller Unterschiede zwischen PR und Journalismus, weil wir doch alle als „Content Provider“ in Kommunikationsberufen tätig sind und kaum ein freier Journalist ohne Zubrot aus der PR-Branche seinen Lebensunterhalt bestreiten kann.

Richtig ist vielmehr, dass Journalismus ohne PR längst undenkbar geworden ist, und dass PR ohne funktionierenden Journalismus an Wirksamkeit erheblich einbüssen würde. Und dass es auf beiden Seiten brillante Kommunikatoren und Schwachköpfe, aber auch hochanständige Profis und schwarze Schafe gibt. Und dass nicht nur PR-Leute, sondern auch Journalisten und Medienunternehmen Eigeninteressen haben können, die wenig mit dem Gemeinwohl zu tun haben, auch wenn alle Beteiligten sich darauf gern berufen, um ihre Interessen durchzusetzen.

Freuen wir uns also über den Diskussionsanstoss des Netzwerks Recherche – und halten folgendes fest:

1) Es ist nachvollziehbar, dass ein Club investigativer Journalisten PR und journalistische Arbeit für unvereinbar hält und in seinem Ethik-Kodex die beiden Berufsgruppen stärker gegeneinander abgrenzt, als das andere tun.

2) Es lohnt sich nicht, über den einen Ethik-Kodex zu streiten. Je mehr wir davon haben, und je näher sie am einzelnen Journalisten „dran“ sind und damit Verbindlichkeit beanspruchen können, desto besser. Am besten, jede Redaktion, jede Berufsgruppe, jeder Journalisten- und Verlegerverband hat ihren eigenen Kodex – und macht ihn öffentlich, damit jedermann täglich neu überprüfen kann, ob sich die jeweiligen Mitglieder daran halten.

Journalismus und Medien in unserer Gesellschaft sind längst von PR-Zulieferungen strukturell abhängig. Beide Seiten sind aufeinander angewiesen. Diese Abhängigkeit ist vermutlich irreversibel – und zwar aus einem ganz simplen ökonomischen Grund: Wir alle, die meisten Journalisten eingeschlossen, sind nicht bereit, für Information so viel Geld auszugeben, wie sie uns wert sein sollte. Eine Qualitätszeitung kostet immer noch weniger als eine Tasse Cappuccino bei Starbucks. Deshalb geht es mit der Medienbranche bergab, wenn die Werbeeinkünfte schrumpfen oder gar die werbetreibende Wirtschaft auf die Idee kommen sollte, ihre Budgets umzuschichten und statt für Werbung vermehrt Geld für PR auszugeben.

Umgekehrt ist es den Unternehmen, Institutionen und auch vielen einzelnen ganz offenbar sehr viel mehr wert, öffentliche Aufmerksamkeit auf sich zu lenken und sie so zu steuern, dass sie dabei „bella figura“ machen. Deshalb floriert die PR-Branche.

Was not tut, ist Aufklärung: Würden Journalisten Transparenz darüber herstellen, wie sehr sie am Tropf der PR hängen, würde der Journalismus an Glaubwürdigkeit gewinnen und der Einfluss von PR sichtbarer. Zur Transparenz gehört aber auch, dass die Publika eine Chance haben zu erfahren, für wen ein Journalist PR macht, von wem er Honorare erhält und sich zu Reisen einladen lässt.

Mehr Aufmerksamkeit verdiente deshalb Punkt 6 im Medienkodex des Netzwerks Recherche: „Journalisten verzichten auf jegliche Vorteilsnahme und Vergünstigung.“ Aber auch dieses hehre Prinzip scheint mir zu sehr aus der Perspektive öffentlich-rechtlicher Redaktionsbeamten zu Papier gebracht, die finanziell abgesichert und nahezu unkündbar sind. Und Papier ist bekanntlich geduldig. Gelebt wird auch dies dagegen noch nicht einmal bei ARD und ZDF. Der Netzwerk-Kodex ist also nicht alltagstauglich. Noch nicht einmal Grundsatz Nr. 8 wird im deutschen Sprachraum gepflegt: „Journalisten verpflichten sich…, wenn nötig, umgehend zur Korrektur.“ Dabei liesse sich durch die freiwillige Korrektur von Berichterstattungsfehlern nahezu ohne zusätzlichen Aufwand journalistische Glaubwürdigkeit beim Publikum zurückgewinnen.

Message, 2/2006, s. 81

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