Rumänien: Das Ende des Kommunismus brachte eines Renaissance des Journalismus – oder doch nicht?

20. Juni 2023 • Aktuelle Beiträge, MediaDelCom • von

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Geschrieben von Leslie Jil Stracke, Svenja Katharina Trappmann & Marisa Schürer

„Frei“ – ein kleines Wort mit großer Bedeutung – besonders für ein Land wie Rumänien.

Als Rumänien am 22. Dezember 1989 durch den Sturz des kommunistischen Präsidenten Nicolae Ceaușescu seine Freiheit wiedererlangte, war es das Wort „frei“, das die damals beginnende breite und sich verändernde Medienlandschaft anführte. Tausende von neuen Medienprodukten entstanden, Zeitungen fügten ihren Titeln das Wort frei hinzu und wurden kostenlos verteilt, und manche sagen sogar, dass der Beginn der Demokratie gleichzeitig der Beginn der freien Presse in Rumänien war. Aber wie sieht es heute aus? Hat das Land damals seine Hoffnung nicht aufgegeben, aus seiner kommunistischen Vergangenheit gelernt und mit dem Aufbau einer vertrauenswürdigen Medienlandschaft begonnen? Irgendwie schon. Aber nicht ganz. Dieser Artikel wird einige Gründe dafür und dagegen aufzeigen.

Dieser Artikel befasst sich mit der Rolle des Journalismus in Rumänien, mit der Art und Weise, wie Menschen zu Journalist:innen werden, und mit dem Vertrauen, das die Rumän:innen in diesen Beruf haben. Zunächst einmal ist es wichtig zu erwähnen, dass der Mangel an Zahlen ein Problem darstellt, wenn man einen Blick darauf werfen will, wie viele Menschen zum Beispiel als Journalist:innen arbeiten oder bestimmte Medien nutzen. Es sind Daten vorhanden – allerdings nicht so viele wie in anderen Ländern, was man sich unbedingt vor Augen halten sollte.

Das öffentliche Rundfunksystem Rumäniens – staatsfern?

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Das öffentliche Rundfunksystem Rumäniens besteht im Wesentlichen aus drei Komponenten: Der nationalen Nachrichtenagentur AGERPRES, dem öffentlichen Fernsehsender TVR und dem öffentlichen Radiosender SRR. Wenn man sich beispielsweise das deutsche Mediensystem anschaut, könnte man erwarten, dass diese drei öffentlich-rechtlichen Medien besonders unabhängig und dezentralisiert sind. Das ist jedoch nicht der Fall. Während das deutsche öffentlich-rechtliche Rundfunksystem von der Öffentlichkeit selbst finanziert wird, wird das rumänische Pendant von der Regierung und NGOs finanziert. Das ist bereits ein Indikator für die mangelnde Unabhängigkeit. Berichte von Whistleblowern haben auch gezeigt, wie die Regierung versucht hat, Einfluss darauf zu nehmen, was in den Nachrichten gesendet wird und was nicht. Bis zum heutigen Tag gibt es keine unabhängige Behörde, die die Unabhängigkeit der rumänischen Medien gewährleistet.

Die Art und Weise, wie die Regierung versucht hat, in den angeblich unabhängigen Rundfunk einzugreifen, ist nicht der einzige Fall, in dem der freie Journalismus in Rumänien in Frage gestellt werden kann. Auch die Art und Weise, wie Journalist:innen über bestimmte Themen, vor allem sehr heikle Themen, berichten dürfen, ist nicht klar. Rumänien garantiert zwar sowohl das Recht auf freie Meinungsäußerung als auch das Recht auf Informationsfreiheit. Aber: Rumänien hat keine Politik zur Medienkompetenz. Es gibt in Rumänien auch keinen allgemeingültigen Ethikkodex, an dem sich Journalist:innen orientieren können, und auch keinen Kodex, der rumänischen Medienmarken eine gewisse Orientierung gibt, wenn es um schwierige ethische Entscheidungen geht. Auch das allgemeine Interesse an ethischen Fragen ist in Rumänien schwach ausgeprägt. Die öffentlichen Einrichtungen des Landes haben ihre eigenen Arbeitsgesetze und sind dem Parlament unterstellt. Jedes Medium hat seinen eigenen Ethikkodex, der zwar öffentlich ist und auf den jeweiligen Websites eingesehen werden kann, aber aufgrund der fehlenden Einheitlichkeit keine Vergleiche zulässt.

Journalismus als Beruf 

Die Zugangsmöglichkeiten zum Journalismus haben sich in Rumänien seit 1989 stark verbessert: 1977 war der der Journalismus als freie akademische Domäne abgeschafft worden, die Berufsausübung war fortan nur unter politischer Kontrolle möglich. Zwölf Jahre später, 1989, nach der Rumänischen Revolution, wurde der Journalismus neu erfunden, worauf in den 1990er Jahren die ersten postkommunistischen Journalistenschulen an der Universität Bukarest folgten. Im Jahr 2022 gab es 31 akkreditierte Journalismus-Studiengänge. Rumänien ist auch an mehreren internationalen Projekten beteiligt, die sich mit Medien und Demokratie befassen, wie z. B. dem Worlds of Journalism-Projekt. Außerdem gibt es drei auf Medien und Journalismus spezialisierte Doktorandenschulen. Allerdings gibt es nur eine begrenzte Anzahl von akademischen Zeitschriften, die sich mit Medien beschäftigen.

Medien, ihre Nutzung und Journalismus 

Zu guter Letzt ist es auch wichtig, einen Blick darauf zu werfen, wie a) die Rumän:innen bestimmte Medienprodukte nutzen und b) welche Rolle sie im rumänischen Mediensystem spielen. Hier sind einige wichtige Zahlen: 90 Prozent der Rumän:innen sehen fern, 58 Prozent nutzen das Internet, 54 Prozent nutzen soziale Medien und 56 Prozent hören täglich Radio. Ähnlich wie in Deutschland nimmt auch die Nutzung von Printprodukten weiter ab. Gleichzeitig gewinnt das Internet als Informationsquelle immer mehr an Bedeutung. Zudem sind 80 Prozent der rumänischen Bevölkerung in der digitalen Welt aktiv, vor allem, wenn es um Kommunikation und Medien geht. Das zeigt sich auch daran, dass 13,3 Millionen der 19,2 Millionen Rumän:innen aktiv soziale Medien nutzen. Und: 82 Prozent der rumänischen Internetnutzer:innen verwenden das Netz für die Suche nach Informationen. Einerseits ist die zunehmende Bedeutung der digitalen Medien in Rumänien ein großer Vorteil: Die Redaktionen können ihre Ausgaben reduzieren und sich an die sich ständig verändernde Medienlandschaft anpassen. Durch die Digitalisierung konnten viele neue, kleinere und unabhängige Medienprodukte geschaffen werden, was die Steigerung der Pluralität des rumänischen Mediensystems ermöglichte und weiterhin ermöglicht. Auf der anderen Seite können digitale Medienprodukte aber auch ein Problem darstellen: Da sie im rumänischen Journalismus eine so wichtige Rolle spielen, werden Social-Media-Posts und andere digitale Publikationen oft als einzige Quelle für die Berichterstattung über bestimmte Themen in den Nachrichten verwendet. Diese digitalen Veröffentlichungen und vor allem Social-Media-Posts werden manchmal nicht einmal als echt bestätigt – was ein Grund für das mangelnde Vertrauen der rumänischen Öffentlichkeit in den Journalismus insgesamt ist.

Zusammengefasst: Die rumänische Medienlandschaft hat auch heute noch mit Problemen zu kämpfen. Während sich die Situation im Vergleich zur kommunistischen Vergangenheit des Landes enorm verbessert hat, besteht in einigen Bereichen noch Verbesserungsbedarf. Das Land verfügt jedoch über ein gutes Fundament, auf dem diese Verbesserungen aufbauen können. Daher ist es wichtig, den rumänischen Journalismus und seine Entwicklung in der Zukunft im Auge zu behalten.

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