Mit Russlands Angriff auf die Ukraine hat das Thema Kriegsberichterstattung in vielen europäischen Redaktionen zwangsläufig an Bedeutung gewonnen. Seit Beginn des Krieges erleben wir eine Vielzahl von journalistischen Ansätzen, die Orientierung im „chaotischen Alltag des Krieges“ zu geben versuchen, wie es der Medienwissenschaftler Kevin Williams formuliert. In diesem Artikel stellt das EJO-Netzwerk Momentaufnahmen innovativer und kreativer Medienprojekte aus ganz Europa vor.
GROßBRITANNIEN
Full Fact und Ukrainecast
In Großbritannien ist die Nachfrage nach Informationen über Russlands Invasion der Ukraine groß. Zwei Formate stechen als Quellen für eine zuverlässige Berichterstattung über den Krieg besonders hervor: Full Fact und der Ukrainecast der BBC.
Immer mehr Fact-Checking
In den letzten Wochen hat das Fact-Checking zunehmend an Bedeutung gewonnen. Nach Angaben von Euronews wurde vor dem 24. Februar eine russische Desinformationskampagne gestartet, um die Ukraine als Aggressor darzustellen und so eine Invasion zu legitimieren.
Full Fact hat sich zum Ziel gesetzt, diese Art von Desinformation zu bekämpfen. Es handelt sich um eine 2009 gegründete, eingetragene Wohltätigkeitsorganisation mit Sitz in London, deren Team von unabhängigen Faktenprüfern es sich zur Aufgabe gemacht hat, Nachrichten und Inhalte in sozialen Medien zu überprüfen und zu korrigieren. Ihr Gebot ist es, unparteiisch zu arbeiten und politisch neutral zu sein.
Es ist nicht das erste Mal, dass sich die Plattform mit der Ukraine befasst, aber sie scheint ihren Fokus auf das Land verstärkt zu haben und veröffentlicht derzeit täglich Faktenchecks über den Krieg. Dazu gehört auch das Überprüfen von Videos, wie jenes Bildmaterial einer Explosion, die angeblich in der Ukraine stattgefunden haben soll, in Wirklichkeit aber bereits nach der Explosion im Hafen von Beirut im Jahr 2020 verbreitet wurde.
Analyse und Überblick
Ukrainecast, das anderes hervorstechendes Format aus Großbritannien, ist ein Podcast, der von der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt BBC zu Beginn der Invasion gestartet wurde. Er bietet Zuhörern einen kompakten Überblick über die Nachrichten sowie eine Analyse aktueller Ereignisse und hat besonders mit der Sperrung der BBC-Webseiten in Russland an Bedeutung gewonnen.
Die BBC veröffentlicht jeden Tag eine einzelne Folge und bietet damit einen Gegenentwurf zum schnellen Nachrichtenfluss auf ihren Online-Plattformen. Die Idee ist es, Journalisten und Zivilisten vor Ort in der Ukraine eine Stimme zu geben und Fragen zu beantworten, die die Menschen beschäftigen, aber in der regulären Nachrichtenagenda nicht unbedingt vorkommen: Warum hat Putin diesen Krieg begonnen? Wie ist die Situation für diejenigen, die Familie in der Ukraine haben? Wie wehren sich die Menschen in der Ukraine? Welche Städte sind unter Beschuss?
DEUTSCHLAND
Katapult und der ‘Sanktionen-Tracker’ von Correctiv
In Deutschland werden viele Inhalte über den Krieg in der Ukraine von Katapult, einer Redaktion in einer kleinen Stadt im Nordosten Greifswalds, produziert. Das Magazin, das auf Infografiken und Karten spezialisiert ist, hat all seine Ressourcen in die Berichterstattung über den Krieg in der Ukraine investiert und bietet seinen Lesern detaillierte Einblicke und Analysen.
Fragen mit denen sich die Redaktion von Katapult dabei beschäftigt sind: Welche Teile der Ukraine sind aktuell besetzt? Wie hoch ist die offizielle Aufnahmekapazität Deutschlands für Flüchtlinge? Und wie viele Menschen wurden in russischen Städten festgenommen, weil sie an Anti-Kriegs-Protesten teilgenommen haben?
Der vielleicht bemerkenswerteste Beitrag zur Berichterstattung über den Krieg ist die Entscheidung einiger Mitarbeiter von Katapult, auf einen Teil ihres Gehalts zu verzichten, um bis zu zwanzig in der Ukraine lebende Journalisten bezahlen und ausstatten zu können. Sie sollen als Korrespondenten für Katapult aus Kriegsgebieten, aus Verstecken oder von der Flucht berichten.
Täglich veröffentlicht Katapult neue Grafiken, in denen die Farben Blau und Gelb der ukrainischen Flagge dominieren. Eine der Infografiken zeigt, wie die Zahl der Sanktionen gegen Russland im Laufe der Zeit gestiegen ist. Sie basiert auf einem anderen herausragenden Medienprojekt: dem „Sanktions-Tracker“ von Correctiv – einer von einer Stiftung finanzierten Organisation für investigativen Journalismus.
Correctiv betreibt eine Website, auf der täglich die gegen Russland verhängten Sanktionen anhand der Daten von OpenSanctions verfolgt werden. Die Redaktion stellt diese Informationen in Form von Infografiken und interaktiven Tabellen zur Verfügung. Die Website bietet auch Hintergrundinformationen zu den Zielpersonen der Sanktionen, sei es eine Einzelperson wie Artur Matthias Warnig, Leiter des Nord-Stream-Gasprojekts, oder ein Unternehmen wie die Sberbank – Russlands größte Bank. Mit dieser Form der Berichterstattung unterstreicht Correctiv die Botschaft, dass Sanktionen derzeit die wichtigsten Waffen des Westens sind, stellt aber gleichzeitig kritisch ihre Wirksamkeit in Frage.
Diese zwei Beispiele stechen in der deutschen Medienlandschaft mit ihrem dualen System aus öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk und ihrer tief verwurzelten Zeitungstradition heraus. Als junge, kleine und gemeinnützige Medien-Start-ups sind Katapult und Correctiv vergleichsweise agiler als große kommerzielle Medienhäuser und sind daher in der Lage, Ideen schneller umzusetzen als viele ihrer etablierten Wettbewerber. Allerdings bleibt die Frage offen, ob Initiativen wie der Verzicht von Mitarbeitern auf einen Teil ihres Gehalts wirklich der arbeitnehmerfreundlichste Ansatz zur Finanzierung von Journalismus sind, zumal Katapult durchaus über finanzielle Reserven verfügt.
Die Fähigkeit, sich als Medienunternehmen und Redaktion schnell anzupassen, ist etwas, das für den deutschen Mediensektor bei der Berichterstattung über den Krieg in der Ukraine immer wichtiger wird. Vor allem vor dem Hintergrund, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ARD und ZDF angesichts der jüngsten Entwicklungen wie dem neu eingeführten „Fake News“-Gesetz des Kremls beschlossen haben, die Berichterstattung aus Russland zu unterbrechen, gewinnen innovative journalistische Ansätze – auch seitens vergleichsweise kleiner Medienunternehmen – besonders an Bedeutung.
ITALIEN
Stories: ein täglicher Podcast aus der Ukraine
Daten zeigen, dass etwa neun Millionen Italiener im Juni 2021 mindestens einen Podcast gehört haben und dass das Format in dem Land somit an Dynamik gewinnt. Der italienische Podcast-Markt ist attraktiv, und verschiedene Journalisten haben ihre eigenen Audioprojekte ins Leben gerufen, die sich auf tägliche Presseschauen oder „Slow Journalism“ mit längeren Berichten und investigativen Recherchen fokussieren.
Eines dieser Projekte ist Stories, ein täglicher Podcast über die weltweiten Nachrichten, der von Chora Media produziert wird. Das Medienunternehmen wurde 2020 gegründet und konzentriert sich ganz auf Podcasts und Audioprojekte. Die Autorin von Stories ist die italienische Außenpolitik-Journalistin Cecilia Sala. Zu Beginn des Konflikts reiste Sala in die Ukraine und begann mit der Produktion des Podcasts von der Frontlinie aus. Seitdem hat sie ein Dutzend Episoden aus Kiew und anderen Konfliktgebieten produziert.
Salas Podcast bietet Einblicke und aktuelle Informationen zu den wichtigsten Ereignissen im Zusammenhang mit den Konflikten, gemischt mit Berichten aus erster Hand und Stimmen ukrainischer Augenzeugen. In einer Folge berichtete sie aus dem Bunker unter der Kinderkrebsklinik Okhmadyt in der ukrainischen Hauptstadt Kiew, wohin die Patienten nach dem russischen Angriff verlegt wurden, und gab den Zuhörern einen Einblick in diese schlimme Situation der Menschen vor Ort.
In einer anderen Episode berichtete Sala über den Beschuss von Tschernihiw aus der Sicht des Soldaten Denis, der gerade erst Mitte zwanzig ist. Stories bietet einen nüchternen und präzisen, aber dennoch emotionalen Bericht von der Frontlinie und zeigt damit das Potenzial von Podcasts im Journalismus.
TSCHECHIEN
Fokus auf multimedialem Storytelling
Die tschechischen Medien berichten aktiv über den Krieg in der Ukraine. In der Tat hat fast die gesamte Medienlandschaft, vielleicht mit Ausnahme der Sportredaktionen, ihre gesamte Aufmerksamkeit auf die russische Aggression gegenüber der Ukraine gerichtet. Leser, Hörer und Zuschauer werden mit Hilfe von Zeitleisten, Infografiken, Karten, Datenvisualisierungen und Livestreams aus der Ukraine über den Krieg und seine Auswirkungen für die Ukraine, Russland, die Tschechien und Europa auf dem Laufenden gehalten.
Die Internet-Tageszeitung Aktuálně.cz nutzt dafür einen Online-Feed mit einem multimedialen Erzählformat. Sie organisiert und vernetzt geschickt alle Inhalte zum Krieg in der Ukraine an einem Ort. Dies ermöglicht dem Publikum einen einfachen Zugang zu verschiedenen Medien wie Videos, Podcasts und Fotos.
Einige tschechische Medien bieten auch Berichte über den Ukraine-Krieg in Fremdsprachen an. Die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt Czech Radio hat einen Zugang eingerichtet, über den sich das ukrainische öffentliche Radio empfangen lässt. Damit soll sichergestellt werden, dass Flüchtlinge und Ukrainer, die in Tschechien leben, Informationen über den Krieg erhalten. Der tschechische Rundfunk plant aktuell außerdem einen Podcast mit dem Titel „Nachrichten für Ukrainer in Tschechien“, der Informationen für Geflüchtete beinhalten soll. In der Ukraine wird der Podcast dann von Radio Prag International veröffentlicht.
Die Online-Zeitung Novinky.cz veröffentlicht täglich eine Zusammenfassung der wichtigsten Ereignisse in der Ukraine auf ihrer Homepage. Die Zusammenfassungen sind in russischer Sprache verfasst und richten sich in erster Linie an ein russisches Publikum. Wie es auf der Website heißt, ist es das Ziel, „die dringend benötigte Transparenz im Konflikt in der Ukraine“ durch „unzensierte tägliche Zusammenfassungen der aktuellen Ereignisse“ zu schaffen.
POLEN
Inhalte auf Ukrainisch und Informationen für Flüchtlinge
Seit dem 24. Februar ist der russische Einmarsch in der Ukraine das größte Thema in allen polnischen Medien, sowohl auf lokaler als auch auf nationaler Ebene. Das ist in erster Linie auf die geografische Nähe des Konflikts und die sichtbaren unmittelbaren Folgen des Krieges in Polen selbst zurückzuführen, insbesondere auf den enormen Zustrom ukrainischer Flüchtlinge in praktisch alle Regionen des Landes – mehr als eine Million bis Ende der ersten Märzwoche.
Eine intensive Berichterstattung wurde vor allem dadurch ermöglicht, dass die polnischen Medien Zugang zu den Flüchtlingen im Lande hatten und dass sich während des Konflikts so viele polnische Korrespondenten wie nie zuvor in der Ukraine aufhielten; alle großen Medien hatten Journalisten entweder in Kiew, Lemberg an der polnisch-ukrainischen Grenze oder an der Front stationiert.
Gleich zu Beginn der russischen Invasion beschlossen einige der größten Medienorganisationen in Polen, wichtige Inhalte nicht nur auf Polnisch, sondern auch auf Ukrainisch zu veröffentlichen. Zahlreiche Medien eröffneten auf ihren eigenen Plattformen auch den freien Zugang zu ukrainischen Fernseh- und Radiokanälen.
Das größte polnische Online-Nachrichtenportal, Onet, beschloss, Artikel in ukrainischer Sprache auf seiner Homepage zu veröffentlichen. Dazu gehören Nachrichten, die den in Polen ankommenden Ukrainern Orientierung geben sollen und beispielsweise über Solidaritätskampagnen und Gesetzte informieren. Ebenso hat Onet zum selben Zweck eine spezielle Microsite eingerichtet, Onet Ukraine.
Der öffentlich-rechtliche Sender Radio 1 bietet auf seiner Website ebenfalls aktuelle Informationen auf Ukrainisch. Eine Rubrik mit Nachrichten in ukrainischer Sprache ist mit einem Klick von der Homepage aus zugänglich. Außerdem werden dreimal täglich Nachrichten in ukrainischer Sprache gesendet – um 10:06 Uhr, 14:06 Uhr und 17:06 Uhr.
In einigen polnischen Redaktionen wurden ukrainische Journalisten eingestellt – nicht nur als Zeichen der Solidarität, sondern auch, um die Berichterstattung zuverlässiger und näher an den Menschen zu gestalten.
SCHWEIZ
Fokus auf Publikumsbeteiligung
In der Schweiz lag der Schwerpunkt in der Berichterstattung über die Ukraine auf der Publikumsbeteiligung, der Analyse des aktuellen Geschehens durch Experten und auf Echtzeit-Updates mit Hilfe von Karten und Infografiken.
Schweizer Radio und Fernsehen
Ein herausragendes Format ist der News plus-Podcast, der vom Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) – der deutschsprachigen Sektion der öffentlich-rechtlichen Medien der Schweiz (SRG SSR) – produziert wird. Was diesen Podcast einzigartig macht, ist die Kommunikation mit dem Publikum, insbesondere mit der Online-Community des öffentlich-rechtlichen Senders.
Diese starke Fokussierung auf die Einbindung des Publikums zeigt sich in der Kommunikation zwischen Redakteuren und Zuhörern, die E-Mails und WhatsApp-Nachrichten umfasst. Themen sind dabei beispielsweise „Russische Frauen, Diskriminierung und Propaganda“, „Warum humanitäre Korridore so schwierig einzurichten sind“, „Der Krieg in den sozialen Medien aus ukrainischer Sicht“ und „Die Rolle des Cyber-Kriegs in der Ukraine“. Darüber hinaus nehmen sich die Produzenten die Zeit, um die Themen aus verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten: Sie sprechen dabei mit Journalisten, Korrespondenten an der Front, Wissenschaftlern sowie Augenzeugen aus der Ukraine, aus Russland und der Schweiz.
Radio Télévision Suisse
Einige Redaktionen haben bestehende Formate genutzt und Sondersendungen eingerichtet . So arbeiten beispielsweise alle Programme von Radio Télévision Suisse (RTS) – dem öffentlich-rechtlichen Schweizer Radio und Fernsehen – gemeinsam an einer Sendung über den Krieg in der Ukraine. Zur Vorbereitung dieser Sendung hat RTS in den sozialen Netzwerken Fragen aus der Bevölkerung gesammelt, insbesondere im Zusammenhang mit humanitärer Hilfe.
Das tägliche RTS-Radioprogramm Forum hat einen ähnlichen Ansatz gewählt. Die Plattform, die sich auf tagesaktuelle Nachrichten und Diskussionen fokussiert und hat beispielsweise einen Abend dem direkten Dialog mit den Zuhörern gewidmet. Diese Sonderausgabe, so ein Journalist von Forum, sei eine Reaktion auf zahlreiche Anfragen von Zuhörern zum Krieg in der Ukraine gewesen.
Heidi.nachrichten
Ein anderer Sender, der mit seiner Berichterstattung über den Ukrainekrieg heraussticht, ist Heidi.news. Der Kanal hat eine „Sonderwoche der Experten“ ins Leben gerufen hat, um die Massen an neuen Informationen, die seit Beginn des Krieges ununterbrochen verbreitet werden, einzuordnen. Nach eigenen Worten will Heidi.news mit dieser Sonderreihe „Horizonte erweitern“ und Sachverhalte hinterfragen. In Zeiten von Covid-19 und eines Krieges, der leicht außer Kontrolle geraten könne, brauche die Welt vor allem Wissenschaftler, die aktuelle Informationen bewerten und Vorhersagen treffen können.
24heures und Tribune de Genève
Viele Redaktionen haben Methoden wieder aufgegriffen, die bereits während der Covid-19-Krise immer mehr an Bedeutung gewonnen hatten. Ein gutes Beispiel dafür ist die Verwendung von Karten, Infografiken und Datenvisualisierung durch 24heures und Tribune de Genève. Das wird beispielsweise in einem Artikel deutlich, der über die jüngsten Manöver der russischen Armee, die Unterstützung der Ukraine durch andere europäische Länder und die gegen Russland verhängten Sanktionen berichtet.
LETTLAND
Sonderausgaben und Nachrichten auf Ukrainisch
Den Einmarsch Russlands in die Ukraine haben die lettische Medienlandschaft sofort als wichtigstes Thema in den Fokus ihrer Berichterstattung gestellt. Alle Medien arbeiten mit Hochdruck an der Berichterstattung über die Ereignisse in der Ukraine. Einige sind sogar so weit gegangen, ihre Logos zu ändern, um ihre Solidarität mit der Ukraine zum Ausdruck zu bringen. Online-Medien haben auf ihren Plattformen spezielle Rubriken eingerichtet und besondere Designs und Header für ihre Portale eingeführt. Fernsehsender haben zusätzliche Nachrichtenausgaben, Debattensendungen und Livestreams angeboten. Viele Zeitschriften haben speziell auf die Krise zugeschnittene Titelseiten veröffentlicht.
Die traditionellen elektronischen Medien haben sich mit ihren Nachrichtenangeboten hervorgetan, insbesondere die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Lettlands, Latvijas Televīzija (Lettisches Fernsehen) und Latvijas Radio (Lettischer Rundfunk). Sie sind in ihrer Berichterstattung über den Krieg in der Ukraine besonders aktiv, zeitnah und in gewisser Weise innovativ. So hatte Latvijas Televīzija bereits am 24. Februar das visuelle Design seiner Studios geändert, und zwei Wochen später verwendet es immer noch die Farben der ukrainischen Flagge.
Von den ersten Tagen der russischen Invasion an wurden interaktive Karten zur Kriegsführung in die Nachrichtensendungen eingebaut, um die geografische Situation der militärischen Handlungen zu veranschaulichen. Das ist etwas, das dieser Sender noch nie zuvor getan hat.
Die öffentlich-rechtlichen Sender bieten zudem tagesaktuelle Sonderausgaben der Nachrichten, zahlreiche Diskussionssendungen mit Experten und Live-Übertragungen von ihren Korrespondenten in der Ukraine. Sie berichteten über Ereignisse wie das Konzert Ukrainas brīvībai („Für die Freiheit der Ukraine“) am 25. Februar, das in einem Park gegenüber der russischen Botschaft in Riga stattfand und von tausenden Menschen besucht wurde. Die Veranstaltung wurde vom lettischen Fernsehen übertragen und vom kommerziellen Fernsehsender TV3 live mitgeschnitten. Die Kurzfassung dieser Solidaritätsaktion war auch auf Arte, dem europäischen Kulturfernsehsender, zu sehen.
Die wöchentliche investigative Journalismus-Sendung Nothing Personal auf TV3 erlangte große Aufmerksamkeit in den sozialen Medien, nachdem einer der Moderatoren ein Sweatshirt mit der russischen Aufschrift „F*** dich, russisches Kriegsschiff“ trug. Die Verteidiger der ukrainischen Schlangeninsel hatten diese Botschaft nur wenige Tage zuvor verwendet, als die russischen Streitkräfte sie aufforderten, ihre Waffen niederzulegen, und der Ausdruck wurde bald weltweit von Internetnutzern aufgegriffen.
Im Radio ergänzte das Programm für Minderheitensprachen von Latvijas Radio, LR4, das hauptsächlich auf Russisch sendet, umgehend sein Programm um Nachrichten auf Ukrainisch, die zweimal täglich gesendet werden.
Das wöchentliche Nachrichtenmagazin Ir („Es ist“) veröffentlichte eine Woche nach Beginn der russischen Invasion eine Titelseite in ukrainischer Sprache mit der Headline “Слава Україні!” („Ruhm für die Ukraine“). Eine Woche später folgte ein weiteres Cover mit der Botschaft „Man erntet, was man sät“. Das Cover kann digital heruntergeladen und als Schild für Kundgebungen genutzt werden. Das Medizinhistorische Museum Pauls Stradiņš, das sich direkt gegenüber der russischen Botschaft in Riga befindet, druckte ein großformatiges Poster der Titelseite, das an der Gebäudewand angebracht wurde.
Übersetzt aus dem Englischen von Roman Winkelhahn, Erich-Brost-Institut, Dortmund, EJO Deutschland
Projektkoordinatorin und Autorin (Deutschland): Ines Drefs, Erich-Brost-Institut, Dortmund, EJO Deutschland
Redaktion: Natricia Duncan, City, University of London, EJO UK
Autoren:
Olivia Samnick, EJO-Fellow, EJO UK
Philip Di Salvo, The London School of Economics and Political Science (LSE), EJO Schweiz (Italienisch)
Colin Porlezza, Universita della Svizzera italiana (USI), Lugano, EJO Schweiz (Italienisch)
Sandra Lábová, Karls-Universität, Prag, EJO Tschechien
Michał Kuś & Adam Szynol, Universität Breslau, EJO Polen
Cécile Détraz, Universität Neuchâtel, EJO Schweiz (Französisch)
Līga Ozoliņa & Ainārs Dimants, Stradiņš-Universität Riga, EJO Lettland
Beitragsbilder: Screenshots der entsprechenden (News-)Websites, von den jeweiligen EJO-Redaktionen zur Verfügung gestellt.
Schlagwörter:Europa, Innovationen, Kriegsberichterstattung, Russland, Ukraine