Wer sind die, die „Staatsfunk“ rufen?

8. Dezember 2021 • Aktuelle Beiträge, Qualität & Ethik • von

Über verschiedene Zeitpunkte hinweg untersucht eine Forschungsgruppe des Projekts „Values in Crisis“, wie sich die Einstellung gegenüber Verschwörungsmythen im Kontext von Covid-19 in Deutschland entwickelt. Der Aspekt Medienvertrauen nimmt dabei eine zentrale Stellung ein.

Dr. Tobias Spöri und Dr. Jan Eichhorn vom Thinktank „dpart“ haben gemeinsam mit Wissenschaftlern der Jacobs University Bremen, der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg und der Leuphana Universität Lüneburg untersucht, mit welchen sozialen und sozioökonomischen Faktoren der Glaube an Verschwörungsmythen zusammenhängt und wie sich Letzterer über die Monate der Pandemie entwickelt hat. Ihre erste Studie dazu erschien im April 2021 mit Befragungsdaten aus dem Zeitraum April/Mai 2020, nun publizierte die Forschungsgruppe ein Folgepapier mit Befragungsdaten aus dem Zeitraum Februar/März 2021.

Auf Basis der erneuten Befragung der selben repräsentativen Stichprobe unterscheiden die Autoren zwischen vier Gruppen: den „Resistenten“, also jenen Befragten, die nicht für Verschwörungsmythen empfänglich sind, den „Ex-Anhänger*innen“, also jenen, die nicht mehr an die thematisierten Verschwörungen glauben, den „Neuüberzeugten“ und dem „harten Kern“.

Sechs Prozent der Befragten erwiesen sich als zugehörig zu Letzterem. 83 Prozent ordneten die Autoren als resistent ein, acht Prozent als Ex-Anhänger, drei Prozent als Neuüberzeugte. Damit ging der Anteil an Menschen, die angeben, an Verschwörungsmythen zu glauben, innerhalb der Zeit zwischen den beiden Befragungen zurück, von 15 Prozent auf neun Prozent.

Infos aus dem Internet

Eine Eigenschaft von Verschwörungsanhängern, die die Forscher bereits im ersten Bericht identifizieren konnten, ist das geringe Vertrauen in „traditionelle“ Medien. Von den Befragten, die angeben, Zeitungen oder dem Fernsehen zu vertrauen, zeigten nur sechs Prozent eine Neigung zu Verschwörungsmythen. Hingegen identifizierten die Forscher 43 Prozent derjenigen, die den sozialen Medien vertrauen, als Anhänger von Verschwörungstheorien.

In ihrem Folgebericht gingen die Wissenschaftler noch etwas detaillierter auf die Thematik ein: „Dieser Bericht […] veranschaulicht, dass sich viele Anhänger*innen von Corona-Verschwörungsmythen von gesellschaftlichen Institutionen abgewandt haben und sich vor allem im Internet auf wenig journalistisch betriebenen Seiten oder Kanälen informieren und austauschen.“ Das Misstrauen gegenüber den traditionellen Medien spiele demnach eine entscheidende Rolle.

Während der Anteil von Verschwörungstheoretikern in der Gruppe der Menschen, die angeben, den traditionellen Medien zu vertrauen, nur vier Prozent beträgt, macht der bei der Gruppe derer, die laut eigener Aussage den sozialen Medien vertrauen, 43 Prozent aus („Neuüberzeugte“ und „harter Kern“).

Auch die konkrete Einstellung gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR) haben die Forscher untersucht. Der ÖRR sei häufig Ziel von Anschuldigungen durch Anhänger von Verschwörungsmythen. Von ihnen schenken nur acht Prozent dem ÖRR sehr viel oder ziemlich Vertrauen, 45 Prozent hingegen wenig bis überhaupt kein Vertrauen.

Werte spielen eine zentrale Rolle

Für die Untersuchung der Verbreitung von Verschwörungsmythen in der Bevölkerung reicht es nicht aus, allein den Aspekt Medienvertrauen zu untersuchen – auch wenn die Medien eine entscheidende Säule in einer demokratischen, faktenbasierten Informationsgesellschaft bilden. Daher haben die Autoren der Studie auch die Wertesysteme der Befragten (mit Fokus auf den Grundwerten Universalismus und Konformität) untersucht und sind zu folgendem Schluss gekommen:

Wer sich von zentralen gesellschaftlichen Institutionen abgewandt hat, tendiert eher dazu, Verschwörungsmythen anzuhängen. Die Krise bezieht sich aber nicht nur auf das Vertrauen, sondern auch auf fundamentale Wertehaltungen. […] Zur Bekämpfung von Corona-Verschwörungsmythen reicht es dementsprechend nicht nur aus, sich um mehr Vertrauen in gesellschaftlich relevante Säulen zu bemühen. Es erscheint gleichermaßen wichtig, für mehr Solidarität und gemeinwohl-orientiertes Handeln zu werben.

 

Lesen Sie hierzu auch den kürzlich erschienenen EJO-Beitrag zur interdisziplinären Erforschung von Medienvertrauen.

 

Bildquelle: pixabay.de

 

 

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