Freiheit der Medien in Polen sichern – durch Medienselbstkontrolle

29. September 2020 • Aktuelle Beiträge, Medienpolitik, Pressefreiheit • von

In Polen wird der Spielraum für unabhängige Medien immer kleiner. Wie können Journalisten sich gegen den wachsenden politischen Druck schützen? Bei einer Konferenz des Erich-Brost-Instituts für internationalen Journalismus in Warschau ging es um Lösungsstrategien.

Drohen den polnischen Medien bald ähnliche Zustände wie den ungarischen? Diskussion bei der Konferenz in Warschau. Foto: EBI

Mit großer Sorge werden derzeit quer durch Europa die Entwicklungen in Polen beobachtet – die Frage nach der Freiheit der Medien angesichts des wachsenden politischen Drucks der PiS-Regierung auf den Journalismus ist dabei eines der Schlüsselthemen. Drohen in Polen Zustände wie im Nachbarland Ungarn? Hierzu veröffentlichte das EJO auch bereits eine Analyse auf seiner Website, außerdem zur Auflösung der Index-Redaktion, einer der letzten unabhängigen Redaktionen in Ungarn.

Bereits vor einiger Zeit hat die PiS-Regierung den öffentlichen Rundfunk unter ihre Kontrolle gebracht. Im polnischen Wahlkampf machte sie die „Re-Polonisierung“ der Medien zum Thema – der Regierung sind die ausländischen, insbesondere deutschen, Medien-Investoren im Land ein Dorn im Auge. Diesen Entwicklungen widmet sich der polnische EJO-Redakteur Adam Szynol in seiner Analyse „Kommt die ‘Repolonisierung der privaten polnischen Medien?”. Seit einiger Zeit wird in Polen zudem die Einrichtung eines „Medienrates“ diskutiert, der auch auf die bislang unabhängigen privaten Zeitungen und Sender erheblichen Einfluss ausüben könnte.

Gefördert mit Mitteln der ZEIT-Stiftung hat das Erich-Brost-Institut für internationalen Journalismus (EBI) der Technischen Universität Dortmund am Freitag eine Konferenz in Warschau zur Situation der Medien in Polen organisiert. Vertreter führender polnischer Medien, Universitäten, Journalisten-Verbände und medienpolitischer Institutionen, Parlamentarier sowie internationale Speaker (u.a. des Europarats) diskutierten gemeinsam die Frage: Wie können sich Journalisten und Redaktionen in Polen effektiv gegen den wachsenden politischen Druck schützen?

Mehr Selbstkontrolle durch einen Presserat?

Die Lage in Polen ist extrem komplex, da sich auch im Journalismus Anhänger und Kritiker der Regierungspartei gegenüberstehen: „Wir haben es mit einer regelrechten ‚Tribalisierung‘ der Medien in Polen zu tun,“ so Prof. Dr. Boguslawa Dobek-Ostrowska von der Universität Wroclaw, führende polnische Medienwissenschaftlerin, und ihr Kollege Dr. Michal Glowacki von der Universität Warschau. Beide Universitäten waren Co-Veranstalter der Diskussion, das EBI arbeitet seit vielen Jahren eng mit beiden Forschern zusammen.

Ein “runder” Tisch von Medienexperten soll demnächst weiter nach Lösungsstrategien suchen. Foto: EBI

Übereinstimmend plädieren die Teilnehmer der Konferenz für die Einrichtungen eines unabhängigen Presserats als Organ der Selbstkontrolle im Journalismus – auch wenn die Gräben zwischen den verschiedenen Lagern im polnischen Journalismus groß sind. „Das Modell des Presserats in Bosnien-Herzegowina zeigt, wie trotz großer politischer Spannungen auch unter den Journalisten eines Landes Selbstkontrolle funktionieren kann,“ so Isabella Kurkowski, Medienexpertin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am EBI.

Konkret in Aussicht genommen wurde bei der Konferenz daher als nächstes ein „Runder Tisch“, der Medienvertreter und internationale Experten zusammenbringen soll. „Unsere weltweiten Studien zur Media Accountability zeigen aktuell, dass immer mehr Regierungen Einschränkungen der Medienfreiheit vornehmen – so entstehen ‚Medienräte‘, die aber nur dazu dienen sollen, Restriktionen zu tarnen“, resümiert Prof. Dr. Susanne Fengler, Leiterin des Erich-Brost-Instituts. „Mit unseren Aktivitäten in vielen verschiedenen Ländern wollen wir nicht nur neue wissenschaftliche Erkenntnisse gewinnen, sondern uns auch ganz praktisch für Medienfreiheit – erst recht in unserem Nachbarland Polen – einsetzen.“

 

Die Lage der Medien in Polen seit Beginn der Corona-Pandemie ist auch ein Thema der EJO-Reihe „Wie weltweit über die Corona-Krise berichtet wird”.

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